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Politik

Kommentar: Eine Stunde der Demokratie

29. Oktober 2018

Angela Merkel kandidiert nicht mehr für den CDU-Parteivorsitz und strebt keine weitere Amtszeit als Kanzlerin an. Damit macht sie den Weg frei für die Erneuerung der CDU. So geht Demokratie, meint Rosalia Romaniec.

Angela Merkel scheint mit sich im Reinen, meint Kommentatorin Rosalia RomaniecBild: Reuters/H. Hanschke

Sie trat vor die Kameras in einem heiter pinken Jackett, mit ernsthafter Miene und klaren Worten. Wenn man bedenkt, wie schwer die von ihr verkündeten Entscheidungen wiegen, so wirkte Angela Merkel in diesem Augenblick ganz mit sich im Reinen.

Staatsmännisch, ruhig und pragmatisch informierte sie über den selbstbestimmten Anfang ihres politischen Endes. Eine Regierungschefin, die sogar in diesem historischen Moment einen erstaunlich kühlen Kopf bewahrt.

Die Staatsdienerin geht

Es ist ein Vorgehen ohne Beispiel in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Kanzlerin startet freiwillig einen Rückzug und sucht dabei keine Schuldigen, keine Sündenböcke, wie es sonst meist üblich ist. Sie verteilt keine Seitenhiebe, macht ihren Widersachern keine Vorwürfe, keine Spur von Wehmut und Nostalgie - dafür ganz viel Verantwortungsbewusstsein und Dankbarkeit. Angela Merkel führt vor, was gelebte Demokratie bedeutet. Diese Kunst beherrschen nur ganz wenige.

"Die Demokratie lebt davon, dass ihre Staatsdiener alles für den inneren Frieden ihres Landes tun" - sagt die Kanzlerin. Angela Merkel hat nachvollziehbar erklärt, wie sie zu ihrer Entscheidung kam: "Ich habe kurz innegehalten" und dann die Konsequenzen gezogen. "Ich trage die Verantwortung für alles - für das Gelungene und das Misslungene". Ein Satz, der die politische und menschliche Größe dieser Regierungschefin zeigt. Und Respekt verlangt.

Die Emanzipation einer Partei

18 Jahre lang hat Angela Merkel die CDU angeführt. Eine Zeit, die ihr glückliche und dramatische Momente und Wendungen beschert hat. Jetzt will ihre CDU mit 18 erwachsen werden, sie will sich emanzipieren. Einen besseren Moment wird es dafür nicht mehr geben - das hat die Kanzlerin endlich erkannt.

Rosalia Romaniec leitet die Redaktion PolitikBild: DW/B. Geilert

Wie sehnsüchtig diese Entscheidung erwartet wurde, zeigt sich schon kurz danach. Keine Stunde war vergangen, da meldeten sich die ersten Kandidaten für Merkels Nachfolge. Auch das zeigt, dass die CDU von 2018 nicht die gleiche ist wie damals, als Merkel übernahm. Eigentlich ein gutes Zeichen. Es lässt nur ahnen, wie heftig die internen Kämpfe hinter den Kulissen um die politische Ausrichtung der Partei sind. Wer jetzt den Stab von Merkel übernimmt, wird über das Schicksal der CDU und möglicherweise auch Deutschlands für Jahre entscheiden.

Bei der Wahl der neuen CDU-Führung Anfang Dezember geht es daher um weit mehr als nur eine Personalie. Die Frage ist: weg von der Mitte und hin zum ausgeprägt konservativen Lager? Oder weiter das Profil als Partei der Mitte schärfen?

Kampf um die Richtung

Mancher aus dem konservativen Lager hat Freunde unter den rechtsgerichteten Regierungen Europas. Viktor Orban und Sebastian Kurz gehören dazu. Was würde es bedeuten, wenn sich der rechte Flügel der Partei durchsetzt? Möglicherweise weniger Verständnis für europäische Partner, als es Merkel hatte. Vielleicht auch mehr Verständnis für die USA unter Trump. 

Sollte sich ein Kandidat durchsetzen, der für die CDU als Partei der Mitte stünde, würde man in Europa aufatmen. Innenpolitisch wäre es aber nicht einfach. Je mehr Mitte die CDU für sich einnimmt, desto weniger Platz bleibt ihrem Koalitionspartner - der SPD. Diese könnte aus Frust vorzeitig die Regierung verlassen. Bei vorgezogenen Neuwahlen wäre Merkel noch schneller Geschichte.

Die Kanzlerin macht klar, sie möchte in Würde gehen. Sie glaube, mit einem ruhigen Rückzug könnte ihre Partei besser ein neues Kapitel aufschlagen. Ihre Nachfolge-Kandidaten wären gut beraten, ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Deutschland ist ein Land, das sich in Stabilität wiegt und dies als hohes Gut achtet. Eine ruhige "Übergabe" würde das Vertrauen in die Demokratie stärken. Wer klug ist, wird sich den Wunsch von Merkel zu Herzen nehmen. Und möglicherweise gewinnen.

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