Bewährte Gangster-Strategie: Gib nur soviel zu, wie sie dir nachweisen können. So agiert auch die deutsche Autoindustrie in Sachen Dieselgate. Das wird ein böses Ende nehmen, meint Henrik Böhme.
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Was sind das wieder für schwarze Tage für die deutsche Automobilindustrie! Am Montag wird der Chef des Daimler-Konzerns (Eigenwerbung: die Erfinder des Automobils), Dieter Zetsche, zum Rapport ins Verkehrsministerium einbestellt. Zwei Tage später verdonnert die Staatsanwaltschaft Braunschweig den Volkswagen-Konzern (Eigenwerbung: der weltgrößte Autobauer) zu einer in der deutschen Wirtschaftsgeschichte noch nie dagewesen Strafzahlung von einer Milliarde Euro. Zudem durchsuchen zu Wochenbeginn Ermittler die Privatwohnung des Audi-Chef Rupert Stadler(Eigenwerbung: Vorsprung durch Technik), gegen ihn wird jetzt wegen Betrug ermittelt.
Wir doch nicht! Doch!
Dieselgate, das vor bald drei Jahren mit Enthüllungen über die Abgastrickserien von Volkswagen seinen Anfang nahm, hat sich längst zu einer veritablen Krise der gesamten deutschen Autobranche ausgewachsen. Einer Branche, die sich stets und noch immer als Vorzeigebranche sieht (was sie nicht mehr ist), die immerzu auf ihren gewichtigen Beitrag zum Industriestandort Deutschland verweist (was richtig ist). Wie hatte sich Dieter Zetsche stets auf die Brust geklopft: "Wir haben nicht betrogen!" "Bei uns gibt es keine Abschalteinrichtungen!" Doch, habt ihr!
Gleiches war stets vom bayerischen Edel-Auto-Bauer BMW zu hören: "Wir sind clean!" Clean? Denkste! Versehentlich wurde bei diversen Modellen die Software verwechselt. Coole Ausrede! Man könnte sich darüber totlachen, wenn die Sache nicht so ernst wäre.
Die deutschen Mühlen mahlen langsam
Was in Amerika schnell ging, zumindest für VW: die Aufklärung, die Strafzahlungen (24 Milliarden Euro!!!), die knallharten und schnellen Urteile. Das alles dauert bei der deutschen Justiz deutlich länger (deutsche Gründlichkeit?). Aber sie ermitteln fleißig, die Staatsanwälte in Braunschweig, München und Stuttgart. Sie ermitteln wegen Marktmanipulation (Hätte man die Anleger früher informieren müssen?) und wegen Betrugsverdachts. Allein in Braunschweig haben sie 49 Verdächtige im Visier. Darunter auch die großen Tiere wie Ex-VW-Chef Martin Winterkorn, der ja auch in den USA zur Fahndung ausgeschrieben ist.
Nun haben zwar die Autobauer zugesagt, "vollumfänglich mit den Behörden zu kooperieren"- aber Pustekuchen: Tricksen, täuschen, tarnen lautet die Strategie - und stets nur das zugeben, was nicht mehr zu verschleiern ist. Endlich auch wacht die Politik auf: Eine Vorladung zum Rapport gab's zwar schon unter der vorigen Bundesregierung, aber der mit viel Trara einberufene Dieselgipfel vom vergangenen August war eher eine Kuschelrunde. Aber den Herrn Zetsche nach Berlin zu zitieren, das hatte schon mal eine neue Qualität. Und auch die nun verhängte Milliarden-Geldbuße gegen Volkswagen ist ein erstes Signal der Staatsanwaltschaft. Die Sache ist bei weitem noch nicht ausgestanden, es geht jetzt erst richtig los.
Macht euch endlich ehrlich!
Der Daimler-Chef verließ am Montag das Ministerium und verkündete trotzig: Man werde den Rechtsweg ausschöpfen. Volkswagen immerhin gab sich reumütig und will keine Rechtsmittel gegen die Strafe einlegen. Kleines Bonmot am Rande: Die Milliarde muss Volkswagen übrigens an das Land Niedersachsen zahlen, den eigenen Mehrheitsaktionär. Vielleicht deswegen.
Nein, die Dieselkrise ist noch lange nicht ausgestanden. Wenn die Prozesse erstmal beginnen (am 3. September gibt es das erste Musterverfahren in Braunschweig), wenn die Müllers, Winterkorns und Stadlers erstmal im Zeugenstand oder auf der Anklagebank erscheinen müssen, dann brechen die mühsam zugeklebten Wunden aufs Neue auf und es wird einmal mehr deutlich: Sie haben getrickst und getäuscht. Aber Verantwortung wollen sie nicht übernehmen. Sie liefern andere ans Messer, aber in der Chefetage haben sie nichts gewusst. Das glaubt Euch kein Mensch! Lasst endlich die Hosen runter, macht euch ehrlich. Sonst ist eines Tages doch noch der von euch mitleidig belächelte Elektro-Pionier Tesla der große Gewinner.
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Jubiläum im Schatten von Dieselgate
Gefühlt 'schon immer' sind die Autos von Porsche Kult. Dem Sportwagenbauer geht es im 70. Jubiläumsjahr so gut wie nie zuvor. Dabei hat auch er sich im Dieselskandal verheddert.
Bild: Porsche
Der erste seiner Art
Mit ihm begann alles: Am 8. Juni 1948 bekam der 356 Nr. 1 Roadster seine Betriebserlaubnis. Es war der erste Wagen, der den Namen Porsche trug. Seither gilt das Datum als Geburtsstunde der Kultmarke. 50 Jahre später fiel die "Nr. 1" beim Verladen in ein Flugzeug aus mehreren Metern Höhe von einer Palette, konnte aber restauriert werden und ist heute im Porsche Museum in Stuttgart zu bewundern.
Bild: picture-alliance/dpa/b. Hanselmann
Vater des 356 ist...
...Ferdinand Anton Ernst Porsche, genannt Ferry. Ohne ihn gäbe es weder den 356 noch den 911. Über fünf Jahrzehnte prägte er den Sportwagenbauer als Geschäftsführer und Aufsichtsratschef. Auch Ferrys Vater, Ferdinand Porsche, hatte schon Fahrzeuge entwickelt, aber für VW. Sein größter Auftrag: Die Entwicklung des VW-Käfer-Vorläufers in der Nazi-Zeit, mit dem Hitler die Massen mobilisieren wollte.
Bild: Porsche
Luxus in Notzeiten
Das Besondere. Der erste Porsche wurde nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg präsentiert, also in einer Zeit, die von Not und Entbehrung geprägt war. Sportwagen schienen nicht das zu sein, was die Menschen damals brauchten. Aber Ferry Porsche konnte sich über die Jahre mit seinem Auto durchsetzen. Ferry Porsche: "Wir bauen Autos, die keiner braucht, aber jeder haben will."
Bild: picture-alliance/dpa/Porsche Schweiz AG
Beliebt überall auf der Welt
Für die erste Million Sportwagen brauchte Porsche fast 50 Jahre. Danach nahm die Produktion rasant Fahrt auf. Für die jüngste Million waren keine fünf Jahre mehr nötig, allein im Jahr 2017 liefen mehr als 255.000 Porsche vom Band. Der Absatz von Porsche hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht.
Bild: picture-alliance/U. Baumgarten
Vom 356er zum 911er
Der silberne 356 hatte 35 PS, kein Dach, keine Außenspiegel und doch erkannte man auf den ersten Blick "den Porsche". Sein bekanntester Nachfolger ist wohl der 911er (im Bild), der den 356 in den 1960er-Jahren ablöste und der immer noch gebaut wird.
Bild: Porsche AG
Traum vom Abenteuer (in der Stadt)
So bekannt der 911er auch ist - groß nachgefragt werden heute andere: Mehr als 97.000 Geländewagen der Baureihe Macan (im Bild) und fast 64.000 Cayenne wurden 2017 ausgeliefert. Mit gut 32.000 Exemplaren lag der 911er sogar noch hinter dem Viertürer Panamera.
Bild: Porsche AG
David gegen Goliath
Mitte der 2000er-Jahre versuchte der kleine Porsche, ganz groß rauszukommen. Man wollte Deutschlands Flaggschiff Volkswagen übernehmen. Der Plan ging allerdings nicht auf. Heute hält eine Dachgesellschaft namens Porsche SE zwar die Mehrheit an VW, die Porsche AG aber, die die Autos baut, wurde als Marke in den VW-Konzern eingegliedert.
Bild: AP
Wolken über der Kultmarke
Jahrzehntelang fuhren Porsche nicht mit Diesel-Motoren. Das änderte sich jedoch, als SUVs aufkamen. Die wurden auch als Diesel-Variante angeboten - mit Motoren der VW-Konzernschwester Audi. So geriet auch Porsche in den Sog des Dieselskandals.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
Im Dieselskandal verstrickt
Im Herbst 2016 rief Porsche freiwillig das Modell Macan zurück, weil es Zweifel an der Abgasreinigung gab. Im Juli 2017 ordnete das Verkehrsministerium ein Zulassungsverbot für den Porsche Geländewagen Cayenne mit 3,0-Liter-TDI-Antrieb an. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart seit rund einem Jahr gegen drei gegenwärtige oder frühere Vorstände der Porsche SE.
Bild: Getty Images/S. Gallup
Im Blick der Justiz sind...
...unter anderen die beiden Ex-VW-Chefs Matthias Müller (links, bis 2015 Porsche-Chef) und Martin Winterkorn. Der Verdacht: Betrug und Marktmanipulation, weil die Aktionäre der Porsche SE zu spät über den Dieselskandal informiert worden sein sollen. Die Porsche SE ist eine Beteiligungsgesellschaft der Familien Porsche und Piëch, die 52,2 Prozent der Stimmrechte der Stammaktien von VW hält.
Bild: picture-alliance/dpa
Große Gewinne dank extrem hoher Rendite
Trotz Dieselskandal - Porsche hat im letzten Jahr so viel Geld verdient wie nie vorher. Keine andere Marke aus dem VW-Konzern kommt auf ein ähnliches Renditeniveau wie die Stuttgarter Sportwagentochter. Porsche liegt bei rund 17 Prozent operativer Rendite und gilt damit als renditestärkster Serienhersteller der Welt.
Bild: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG
Neue Geschäftsfelder gesucht
Auf den Lorbeeren ausruhen kann sich der Sportwagenhersteller aber nicht. Und so werden Milliarden in neue Technologien investiert. In Zukunft will man unter anderem auf digitale Mobilitätsdienste setzen. In den USA wird schon eine Art Flatrate-Dienst angeboten. Gegen eine monatliche Gebühr kann der Kunde jederzeit ein Porsche-Modell seiner Wahl fahren.
Bild: Porsche
Auch Porsche setzt auf Strom
2019 soll die elektrische Variante von Porsche auf den Markt kommen. Mit mehr als 500 Kilometer Reichweite und schnellen Ladezeiten - so das Versprechen. Weitere sollen voraussichtlich folgen - auch in Kooperation mit der Konzernschwester Audi. Bis 2022 will der Autobauer sechs Milliarden Euro allein in die E-Mobilität investieren, sowohl in Fahrzeuge als auch in Infrastruktur.
Bild: Porsche
Trotz Dieselskandal und hoher Preise
Auch in diesem Jahr erwartet Porsche einen Rekordabsatz. Denn immer mehr Menschen scheinen der Meinung der deutschen Rallye-Legende Walter Röhrl zu sein: "Eine Garage ohne Porsche 911 ist doch ein ödes, leeres Loch!"