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Einfach nur peinlich

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Jens Thurau
10. Juli 2020

Die Bundeskanzlerin vermeidet als EU-Ratspräsidentin jede scharfe Kritik an dem Vorgehen Chinas in Hongkong, das Opposition dort künftig unmöglich macht. Sie hat gerade andere Prioritäten. Schade, meint Jens Thurau.

Bild: picture-alliance/AP Photo/F. Seco

Das waren noch Zeiten: Im November 2007 empfing Bundeskanzlerin Angela Merkel den Dalai Lama, das geistige und politische Oberhaupt der Tibeter, im Kanzleramt. Also einen Erzfeind Chinas, was deshalb sofort wütenden Protest der Machthaber in Peking hervorrief.

Auch der Koalitionspartner Merkels in Deutschland, damals wie heute die Sozialdemokraten, waren verschnupft. Frank-Walter Steinmeier hieß der Außenminister, heute ist er Bundespräsident. Steinmeier fürchtete eine massive Verschlechterung der Beziehungen zu China. Und Merkel? Konterte die Kritik kühl. "Ich entscheide selbst, wen ich empfange und wo." Und sie fügte hinzu, sich wünsche sich, dass alle Mitglieder ihrer Koalition gegenüber China eine klare Haltung einnehmen würden, "weil andernfalls der Respekt Chinas vor uns bestimmt nicht größer wird." Das saß.

"Unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen"

Heute warten wieder viele auf klare Worte Merkels gegenüber China. Aber als die Kanzlerin Mitte der Woche in Brüssel ihre Pläne für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorstellte, ging sie nur mit ein paar dürren Worten auf China ein. Merkel betonte die Wichtigkeit des Handelspartners, verwies aber auch auf "unterschiedliche gesellschaftspolitische Vorstellungen, vorneweg bei der Wahrung der Menschenrechte." Tja, das kann man wohl so sagen. Sollte man jedenfalls.

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Gerade hat China dafür gesorgt, dass die Sonderverwaltungszone in Hongkong einem sogenannten "Sicherheitsgesetz" untersteht, dass das Ende jeder Opposition bedeutet. Merkel erwähnte das in Brüssel mit keinem Wort.

Sicher, seit 2007, als die Kanzlerin noch furchtlos auf chinesische Zumutungen reagierte, ist viel geschehen: Die EU ist der Kanzlerin des wirtschaftsstärksten Landes in Europa um die Ohren geflogen. Erst in der Finanz-, dann in der Flüchtlingskrise. Es gilt als offenes Geheimnis, dass Merkel 2017 vor allem deshalb noch einmal an Kanzlerin antrat, weil sie den europäischen Scherbenhaufen zumindest ein bisschen zusammenkehren wollte. Gerade jetzt, in der halbjährigen deutschen Ratspräsidentschaft, will sie das umsetzen.

Eine nüchtern abwägende Machtpolitikerin

Dabei hat sie anscheinend klare Prioritäten: Das immer stärker und aggressiver werdende geopolitische Agieren der Chinesen nimmt sie hin, auch mit dem um sich schlagenden Mann im Weißen Haus in Washington kann sie nichts anfangen. Sie hat es offenbar schlicht aufgegeben, mit Donald Trump in irgendeiner Form auf eine Linie zu kommen. Aber Europa - da lohnt sich der Einsatz noch. Vor allem die Mitglieder im Osten und Südosten sehen in Peking nichts weiter als einen wichtigen Handelspartner - die Menschenrechte spielen in deren Augen dabei keine entscheidende Rolle. Diese Staaten will Merkel nicht verprellen, so scheint es.

Die Kanzlerin war immer eine nüchtern abwägende Machtpolitikerin, und oft genug lag sie damit richtig. Aber gerade wenn sie Europa neuen Schwung verleihen will, indem sie etwa dafür wirbt, die Folgen der Corona-Pandemie ausnahmsweise wirklich gemeinsam zu schultern, gerade dann braucht es Prinzipien. Worauf soll eine neues Europa basieren, wenn nicht auf der Wahrung von Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit? Und wenn das die Prinzipien sind, dann darf man nicht schweigen, wenn Peking in Hongkong vollendete Tatsachen schafft! Die Oppositionellen dort betonen immer wieder, wie wichtig Europas Reaktion ist, vor allem die von Angela Merkel. Von der aber kommt bislang nichts als dröhnendes Schweigen. Und das ist einfach nur peinlich.

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