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Politik

Corona-Hilfen - nur ein erster Schritt

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
10. April 2020

Vor der Einigung auf die Milliardenhilfen der EU gegen die Folgen der Corona-Krise gab es Zank, Erpressungsversuche und Untergangsphantasien. Unnötig und schädlich, meint Barbara Wesel.

Beim ersten EU-Finanzministertreffen per Videoschalte gab es keine Einigung auf ein Corona-HilfspaketBild: picture-alliance/ANP

Jeder, der die EU kennt, weiß, dass sich die Mitgliedsländer am Ende immer irgendwie einigen. Jedenfalls wenn alle ein Interesse an einer Einigung haben müssen. Und das ist bei den Corona-Nothilfen der Fall: Europas miteinander verwobene Volkswirtschaften stehen entweder gemeinsam wieder auf oder sie werden sich nur noch hinkend fortbewegen. Dieses Mal aber war die Begleitmusik besonders dramatisch - allerorten wurde wieder einmal die Schicksalsfrage gestellt und der Untergang der EU beschworen. Aber Solidarität, wie der Süden sie definiert, lässt sich nicht erzwingen und kann den Norden schädigen. 

Überflüssiger Zirkus

Besonders hervorgetan hat sich dieses Mal bei der beliebten europäischen Disziplin "Zirkus für die Zuschauer zu Hause" der Finanzminister aus den Niederlanden, Wopke Hoekstra. Er mauerte erst aus Prinzip und dann im Detail. Es gibt gute Gründe für ein Nordland, gegen die sogenannten Corona-Bonds zu sein. Aber dass der Niederländer darüber hinaus noch die Kredite aus dem Europäischen Stabilitäts-Mechanismus, die jetzt beschlossen wurden, mit Reformauflagen versehen wollte, war unter den Umständen eine Frechheit. Er wollte sich wohl bei seinen Landsleuten als besonders harter Hund profilieren. Aber Sturheit ist keine Politik und solche Aufführungen werden in der EU in der Regel heimgezahlt.

DW-Europakorrespondetin Barbara WeselBild: DW/B. Riegert

Auf der anderen Seite des Grabens saßen der italienische Premier Guiseppe Conte und der Spanier Pedro Sanchez, die die Gunst der verzweifelten Stunde nutzen und eine Bresche in den Wall schlagen wollen, der bisher die Vergemeinschaftung von Schulden in der EU verhindert. "Solidarität" ist dabei das Totschlagargument mit dem sie die Front der Unwilligen - allen voran Deutschland - zum Nachgeben zwingen wollen.

Erpressung ist kein Mittel

Dieser Versuch ist zwar verständlich, aber die angewandte politische Brechstange ist das falsche Mittel. Mit dem unmittelbaren Untergang der EU zu drohen, wenn nicht sofort und gemeinsam Milliarden an Schulden aufgenommen werden, um Italien und Spanien zu helfen, ist krude und gefährlich. Damit werden die Nordländer an die Wand gedrängt, bei ihren Wählern Abwehrreflexe geweckt und letztlich wird auch die Stabilität der stärkeren Länder gefährdet. Das ist keine Überzeugungsarbeit sondern Erpressung. 

Die Einrichtung eines Wiederaufbau-Fonds aus gemeinsamen Schulden als quasi unkontrolliert sprudelnde Geldquelle ist ein gefährliches Instrument. So etwas muss gut überlegt und ausgestaltet werden. Wer soll die Verwendung kontrollieren? Wer für die Rückzahlung sorgen? Und kann die EU verhindern, eventuell einem italienischen Premierminister namens Salvini seinen Populisten-Staat zu finanzieren? Sind aber einmal Gemeinschaftsschulden gemacht, wäre der Bann gebrochen. Dann könnte der Norden tatsächlich in die Lage kommen, die Staatsfinanzen des Südens dauerhaft mitzufinanzieren - dann spätestens würde es die EU tatsächlich auseinander reißen.

Das Geld reicht nicht

Über eine halbe Billion Euro sollen jetzt zunächst mobilisiert werden, in einer Mischung von Krediten und Garantien, um billige Kredite an kleine und mittlere Unternehmen zu vergeben, eine Art Kurzarbeitergeld für Beschäftigte in der gesamten EU zu zahlen und schließlich den Staaten Zugriff auf bis zu 240 Milliarden aus dem ESM zu gewähren. Die USA haben im ersten Anlauf über 2 Billionen Dollar bewilligt, um ihrer Wirtschaft wieder auf die Füße zu helfen. Sie haben es leichter und drucken sich ihr Geld einfach selbst. Der Vergleich aber zeigt, dass die für die EU beschlossenen Summen bei weitem nicht reichen werden.

Solidarität von beiden Seiten

Wirtschaftsforscher prophezeien nach dem Abflauen der Pandemie eine tiefe Rezession und wetteifern mit roten Zahlen. Klar ist, dass riesige Summen nötig werden, und dass die meistgeschädigten Länder die meiste Hilfe brauchen - das erfordert tatsächlich Solidarität. Wie dieses Geld aber aufgebracht und finanziert werden soll, in welchem Zeitraum und zu welchen Konditionen - darüber muss in den kommenden Wochen diskutiert werden.

Die reicheren Länder werden sich schon aus Eigeninteresse einem Corona-Wiederaufbau-Fonds nicht verweigern. Aber man muss sich aus freien Stücken darauf einigen, und deshalb sollten Italien und Spanien verbal abrüsten. Den Partnern die Pistole auf die Brust zu drücken und zu fordern: "Jetzt seid gefälligst solidarisch!" gefährdet ebenso den Zusammenhalt in der EU, wie ein möglicher Mangel an Solidarität.