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Politik

Erst mal den Vertrag abwarten

Wirtschaftskolumnist der Deutschen Welle Andrey Gurkov
Andrey Gurkov
20. Dezember 2019

Russland und die Ukraine haben sich in Berlin über ein neues Gastransitabkommen geeinigt. Nach der Verkündung des Durchbruchs müssen nun aber auch Tatsachen folgen, meint Andrey Gurkov.

Bild: picture-alliance/AA

Was für eine schöne vorweihnachtliche Botschaft: Russland und die Ukraine haben sich unter Vermittlung der Europäischen Union in der Hauptstadt Deutschlands in der Nacht zum Freitag grundsätzlich auf eine Fortsetzung des Gastransits geeinigt. Es wird also in Januar nicht zur Wiederholung des mehrwöchigen Lieferstopps von 2009 kommen, russisches Gas wird wie gewohnt über ukrainisches Territorium in die EU fließen - die Europäer werden also mitten im Winter nicht frieren müssen.

Allerdings wären die Heizungen in Europa auch ohne diese Vereinbarung nicht ausgegangen. Denn die EU ist heute bei der Gas- und generell bei der Energieversorgung viel besser aufgestellt, als sie es noch vor zehn Jahren war. Sie hat Lehren aus der damaligen Krise gezogen: Sie hat Verbindungsleitungen zwischen den Mitgliedstaaten verlegt, damit Länder mit größeren Reserven die schwächeren Nachbarn schnell mit Nachschub versorgen können. Die zahlreichen Flüssiggas-Terminals haben freie Kapazitäten für den Empfang von Flüssiggas, und die geräumigen Erdgasspeicher sind prall gefüllt.

Politischer Streitfall mit großem Eskalationspotenzial

Man ist also in der EU für das Auslaufen des zehnjährigen russisch-ukrainischen Transitvertrages zum Jahresende gut gerüstet. Trotzdem sorgt die Nachricht aus Berlin natürlich für Erleichterung. Denn hier geht es ja nicht nur um das rein technische Durchpumpen von Gas - es handelt sich hier um einen politischen Streitfall mit großem Eskalationspotenzial. Und dieser Konflikt zwischen Russland und der Ukraine scheint nun entschärft worden zu sein.

DW-Redakteur Andrey Gurkov

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlen für den Glauben die Informationen. Denn in Berlin wurde lediglich ein Durchbruch verkündet, aber einen verbindlichen Vertrag gibt es (noch) nicht, nicht einmal wesentliche Details der Vereinbarung wurden bislang mitgeteilt. Daher ist noch Skepsis angesagt, denn begeisterte Nachrichten über angeblich entscheidende Durchbrüche beispielsweise im Handelskonflikt zwischen den USA und China oder im Atomstreit mit Nordkorea gab es in jüngster Zeit oft - doch sie alle hielten auf Dauer nicht das, was sie vorschnell versprachen.

Einiges deutet jedoch darauf hin, dass im russisch-ukrainischen Gasstreit in den nächsten Tagen tatsächlich eine Vertragsunterzeichnung möglich ist. So hat sich Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner jährlichen Pressekonferenz am Donnerstag fast schon vehement für eine Fortsetzung des Transits ausgesprochen, ohne dabei auf eine Paketlösung zu pochen, wie Moskau das noch im Herbst getan hat.

Russischer Abschied von der Paketlösung?

Russland wollte die Frage der Gaslieferungen durch die Ukraine in die EU nur gemeinsam mit dem Verzicht auf gegenseitige finanzielle Forderungen aus den Vorjahren und der Wiederaufnahme des Importes russischen Gases durch die Ukraine lösen. Hat Moskau diese Forderung fallenlassen? Oder geht nun Kiew auf die russischen Wünsche ein?

Welcher Zeitraum wurde für die Fortführung des Gastransits vereinbart? Ein Jahr, drei Jahre, zehn? Wie viel russisches Gas soll künftig über ukrainisches Gebiet fließen? Eher 15-20 Milliarden Kubikmeter im Jahr, zu denen Moskau neigte? Oder mindestens 30-40, wie man sich das in Kiew vorstellte? Und wie hoch werden die Transitgebühren sein?

Erst wenn all diese und mehrere andere grundsätzliche Fragen beantwortet sind, wird klar werden, ob es sich hier um einen Win-Win-Situation handelt und die Lieferungen zumindest mittelfristig stabil sein werden. Oder ob sich beide Seiten lediglich zu einer kurzfristigen Notlösung durchgerungen haben. Bis dahin können die Europäer sich gelassen auf das Weihnachtsfest konzentrieren. Nach der medienwirksamen Verkündung eines Durchbruchs müssen Russland und die Ukraine nun liefern: zunächst einen Vertrag und danach auch Gas.

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