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Politik

Von Löwen und Füchsen

Martens Catherine Kommentarbild App PROVISORISCH
Catherine Martens
14. Juli 2017

Den Empfang von Donald Trump am französischen Nationalfeiertag in Paris kann man als Anbiedern empfinden. Aber die EU als Ganzes könnte von Emmanuel Macrons gewagtem Vorgehen profitieren, meint Catherine Martens.

Emmanuel Macron und Donald Trump auf den Stufen des Elysée-Palastes in ParisBild: picture-alliance/dpa/Sputnik/I. Kalashnikova

Es ist eine verdammte Gratwanderung. Ja, ganz ohne Zweifel. Möglich, dass es auch gänzlich in die Hose geht. Ein hauchdünner Grat zwischen peinlich politischer Schleimspur und  transatlantisch gelungener Kür. Hat Frankreich es nötig, den politischen Stiefellecker zu spielen angesichts eines Haudegens, der Paris vor nicht allzu langer Zeit als "Höllenloch" betitelt hat? "La Grande Nation" als Trump-Versteher? Muss ausgerechnet der französische Präsident Emmanuel Macron seinen tendenziösen Hang zur Selbstdarstellung ausleben mit jedem politischem Schmuddelkind, das gerade keinen mehr zum Spielen hat? Wie sieht Europa dabei aus? Geht Macron doch das riskante Spiel ein, das gerade zart aufblühende, dringend notwendige neue europäische Selbstbewusstsein (Wir können auch ohne die USA!) im Keim zu ersticken durch präsidiales Anbiedern. Und sich obendrein dreist und ungefragt als neuer europäischer Leader anbietet. Frechheit! Die Trump-Macron-Kumpelei geht gar nicht. Bäh! Das hat Frankreich nicht nötig, Europa schon gar nicht.

Die transatlantische Schmollecke ist kein guter Platz

Wirklich? Mitnichten. Stolz ist in der Politik immer ein schlechter Berater. Falscher Stolz sowieso. Frankreich und, ja, auch Europa müssen sich gegenüber der neuen US-Administration positionieren. Und sicher nicht in der transatlantischen Schmollecke. Trump ist da. Egal ob Europa nun bockt oder nicht. Alleine nur Lästern ob des politisch zweifelsohne oft bewiesenen unterirdischen Geschicks des neuen US-Präsidenten kann sich weder Frankreich noch Europa angesichts der Unübersichtlichkeit des Weltgeschehens leisten. Und Kritikern sei zugerufen: Dies ist nicht einmal der Punkt. Europa, Frankreich kann immer irgendwie mit irgendwem. Aber in Politik geht es eben nicht nur um Durchwurschteln, sondern auch um Symbole und Botschaften. Um eine Ebene, die jenseits des politischen Tagesgeschäfts liegt. Liegen muss. Nationen sind Summe ihrer Geschichte, sie haben ihre Gründermythen.

Europa-Korrespondentin Catherine Martens

Genau da packt Macron Trump. Und zeigt ihm: "Hey, nicht wir beide (sicherlich nicht!), aber unsere beiden Staaten haben eine gemeinsame Geschichte. So richtig krasse Geschichte! Erster Weltkrieg. Remember!" Das Abschreiten des Grabs von Napoleon, französische und amerikanische Truppen gemeinsam auf den Champs-Elysée - Macron hat erkannt, dass Donald Trump hier eine offene Flanke hat. Das er ihn so erreicht. Hier liegt der Punkt. Macron will vorwärts kommen. Soviel naive Vorschuss-Lorbeeren seien in diesem Gedankenspiel erlaubt: weiter kommen in Syrien, im Kampf gegen den Terrorismus, beim Klimawandel - darum geht es. Das gelingt selten genug, aber klappt IN transatlantischer Kooperation meist besser als OHNE. Da ist Macron ganz der Pragmatiker. Und wer das große Ganze anschaut, der wird feststellen: Gänzlich ohne die USA sind ganz viele Probleme langfristig eine ziemlich hässliche Hängepartie.

Theresa May nicht das Feld überlassen

Wer nur lästernd Unkenrufe vom Stapel lässt, ist nicht besser als der schon so oft kritisierte US-Präsident. Aber Frankreich und Europa müssen besser sein. Ein EU-Mitglied befand Europa schon so bemitleidenswert schlecht, das es in Kürze abhauen will. Schon vergessen? So sieht die politische Realität zu Hause in Europa nämlich auch aus. Soll Frankreich, soll Europa mit verschränkten Armen zuschauen, wie Theresa May, wenn sie innenpolitisch wieder den Kopf dazu hat,  sich ihre  transatlantische "special relationship" zurechtbastelt? Nein!

Europa muss Größe beweisen. Trump zum Trotz. Unflätige Beschimpfung im Wahlkampf? Stehen wir drüber. Wir laden Dich sogar zu unserer coolen Party am 14. Juli ein und Du darfst dein Spielzeug mitbringen, kein Ding. Das ist Macrons politisches Kalkül. Die USA und zu allererst Donald Trump an das große Ganze erinnern. An das Verbindende zwischen beiden Staaten, jenseits von Wahlkampf, jenseits von politischen Schlammschlachten. Und - Achtung! - jenseits dieses Jahrhunderts.

Starke Löwen und listige Füchse

Zugegeben, das klingt großkopfert. Aber es birgt politischen Mehrwert: Stärke beweisen. Ohne Konfrontation. So ganz nebenbei. Emmanuel Macron ist ein Kind seiner Nation. Jedes Schulkind hört hier von Machiavelli: Die Geschichte, dass immer zwei nötig sind - der Löwen UND der Fuchs. Nur der starke Löwe allein reicht nicht, um zu gewinnen. Es braucht auch den Fuchs, der sich eine kluge List ausdenkt. Die List, um die USA von Europas Stärke, von Europas neuem Selbstbewusstsein zu überzeugen, ist der militärische Pomp, die historische Bling-Bling Show. Die  sollte daher mehr als nur billigend in Kauf genommen werden.

Trump hin oder her - es gilt die transatlantischen Beziehungen nicht komplett entgleiten zu lassen. Die irre, unberechenbare Politik des Donald Trump zum Anlass zu nehmen, um mehr Nähe zu suchen, wie Macron es derzeit tut, ist mindestens umsichtig. Nicht nur Francois Mitterrand war überzeugt, "dass man den Feind küssen muss, um ihn leichter zu ersticken". Im schlimmsten Fall steht Emmanuel Macron als dummer Schleimer da. Im besten Fall profiliert sich Frankreich. Und Europa kann davon profitieren, um selbstbewusst die internationale politische Agenda zu besetzen. Dieses Risiko will Macron eingehen. Mit Recht.

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