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Politik

Erdogan hat gewonnen, die Demokratie verloren

Seda Serdar Kommentarbild App
Seda Serdar
25. Juni 2018

Die Türkei hat historische Wahlen hinter sich. Präsident Erdogan reklamiert den Sieg für sich. Für die Opposition und ihre Anhänger wird es nun noch schwieriger als bisher, meint Seda Serdar.

Recep Tayyip Erdogan und seine Frau Emine lassen sich von ihren Anhängern feiernBild: Reuters/U. Bektas

Es ist der Beginn einer neuen Ära in der Türkei: Präsident Erdogan hat seine Macht für die nächsten fünf Jahre zementiert - mindestens. Das neue Regierungssystem erlaubt es ihm, nun auch Minister direkt zu ernennen, präsidentielle Dekrete zu erlassen und Mitglieder des Verfassungsgerichtes zu berufen.

Erdogan hat es allem Anschein nach geschafft, die absolute Mehrheit für seine Präsidentschaft zu erreichen, obwohl seine AKP bei den gleichzeitig abgehaltenen Parlamentswahlen Stimmen verlor. Sie liegt nun nur noch bei 42,5 Prozent - das sind sieben Prozentpunkte weniger als nach den vorherigen Parlamentswahlen im Jahr 2015.

Großer Sieg für Erdogan

Ja, es ist ein großer Erfolg für Erdogan. Aber es ist ein großer Erfolg in einem stark polarisierten Land. Während die AKP-Anhänger feiern, herrscht bei der anderen Hälfte der Bevölkerung tiefe Enttäuschung. Für sie bedeutet das Wahlergebnis das Ende der Demokratie, wie sie sie kennen.

Der Opposition gelang ein starkes Comeback, doch es reichte nicht. Trotz mehrerer Beschwerden über angebliche Wahlfälschungen erklärte die AKP sich frühzeitig zum Wahlsieger - und sie wird um jeden Preis daran festhalten. Die Türken erleben eine Art Déjà-vu: Auch beim Verfassungsreferendum 2017 hatte das "Ja"-Lager hauchdünn gewonnen. Die gestrige Wahl war die letzte Chance, die dort beschlossene Verfassungsänderung noch zu stoppen. Die Opposition und ihre Anhänger müssen nun einen Weg finden, im neuen politischen System zurechtzukommen.

Seda Serdar leitet die Türkische Redaktion der DW

Die Welt schaut zu

Die westliche Welt hat der Entwicklung in der Türkei lange tatenlos zugeschaut. Und das wird sie auch weiterhin tun, denn die Türkei ist ein Verbündeter, den sie nicht ohne Weiteres fallenlassen kann. Doch die türkischen Beziehungen zum Westen, insbesondere zu Europa, werden angespannter als zuvor: für Erdogan, mehr aber noch für die europäischen Staats- und Regierungschefs. Denn der türkische Präsident hat sich nun die Legitimation gesichert, um seine erweiterten Befugnisse auch rechtlich abgesichert dauerhaft anzuwenden. Dies hat er ja bislang nur mit Hilfe des Ausnahmezustands getan, der seit dem Putschversuch 2016 bis heute andauert. 

Sollte die EU die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei nun beenden, würde sie die Hälfte der türkischen Bevölkerung vor den Kopf stoßen, die weiter für die Demokratie kämpft. Sollte sie sie fortsetzen, dann müsste sie einen Weg finden, mit einem Land umzugehen, das dauerhaft genau die Werte verletzt, für die die Europäische Union eigentlich steht. Das bisherige Schweigen der internationalen Staatsoberhäupter lässt vermuten, dass sie beim weiteren Umgang mit der Türkei besondere Vorsicht walten lassen werden. 

Machtlose Opposition

Nach der Niederlage der Opposition sind deren Wähler besonders frustriert über dieses Schweigen. Erdogans Hauptgegner Muharrem Ince von der CHP will heute vor die Presse treten. Vor dem Hintergrund der berichteten Wahlfälschung vor und während der Wahlen ist der Frust der Oppositionsanhänger mehr als verständlich.

Während die Opposition sich fragt, was sie der Öffentlichkeit sagen soll, muss Präsident Erdogan nun die Ärmel hochkrempeln und sich auf die Verbesserung der türkischen Wirtschaftslage konzentrieren. Der Sieg bei den Wahlen ist das Eine, aber die Beendigung der Wirtschaftskrise wird größere Anstrengungen benötigen. Dies ist die größte Herausforderung für Erdogan - trotz aller Machtfülle, die der alte und neue Präsident nun besitzt.

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