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Politik

Rüstungskontrolle im Cyberraum!

5. Mai 2017

DW-Korrespondent Marcel Fürstenau hat eine Woche voller Cyber-Konferenzen hinter sich - und ist ratlos: Was tun gegen all die virtuellen Gefahren? Für unverzichtbar hält er vertrauensbildende Maßnahmen.

Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, bei der Konferenz für Nationale CyberSicherheitBild: HPI/K. Herschelmann

Mehr Wohlstand, mehr Demokratie, mehr Frieden - die Verheißungen des Internets waren zu schön, um wirklich wahr zu werden. Zwar erleichtert das weltweite Netz den Alltag in allen Ecken dieser Erde. Aber das ist nur die eine, die schöne Seite der Medaille. Kehrt man sie um, werden viele hässliche Fratzen sichtbar: Betrüger, Lügner, Krieger. Sie räumen Online-Bankkonten leer, verbreiten Fake News und legen Kraftwerke lahm. Cybercrime hat Hochkonjunktur. Dasselbe gilt auch für Veranstaltungen, auf denen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über Gegenstrategien nachdenken.

In Berlin und im benachbarten Potsdam gab es dazu dieser Tage gleich zwei hochkarätig besetzte Konferenzen. Auf ihnen diskutierten IT-Spezialisten, Geschäftsführer, Präsidenten deutscher Sicherheitsbehörden - und Militärs. Was sie zu berichten wussten, war beunruhigend: Cybercrime ist eine schwer zu kontrollierende Wachstumsbranche, in der private, zunehmend aber auch staatliche Akteure ihr Unwesen treiben. Täter werden bisher nur sehr selten ermittelt.

Manches erinnert an den Kalten Krieg

So räumt Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen offen ein, das gesamte Ausmaß von Hacker-Angriffen nicht zu kennen. Welche Daten etwa bei der Attacke auf den Deutschen Bundestag 2015 womöglich in falsche Hände geraten sind, weiß niemand. Was damit noch passieren könnte, etwa im Bundestagswahlkampf, ist völlig ungewiss. Dass die Angreifer aus Russland kamen, davon ist Maaßen überzeugt. Dem ehemaligen Geheimdienst-Mann Wladimir Putin ist es allemal zuzutrauen, mit virtuellen Scharmützeln Einfluss auf die deutsche Politik nehmen zu wollen.

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Trotzdem ist es riskant, ihn mehr oder weniger unverhohlen an den Pranger zu stellen. Das Szenario erinnert an die Zeit des Kalten Kriegs, in der sich Ost und West gegenseitig hochschaukelten - rhetorisch und militärisch. Das Tauwetter begann, wenn auch langsam, mit der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) in den 1970er-Jahren. Zwar ging die Aufrüstung noch eine Weile weiter, aber es gab wenigstens ein verlässliches Dialogforum mit verbindlichen Regeln. Etwas Vergleichbares ist im globalen Maßstab nötig, um die Gefahren im Cyberraum besser in den Griff zu bekommen.

Ein Sicherheitsproblem: zu wenig IT-Spezialisten

Auf nationaler Ebene gibt es dafür in Deutschland schon länger erfreuliche Ansätze. Die gerade zu Ende gegangene Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit war bereits die fünfte ihrer Art. Das gastgebende Hasso-Plattner-Institut bringt Experten von IT-Unternehmen mit Politikern, Forschern und Chefs von Sicherheitsbehörden zusammen. Dabei bestehen durchaus Berührungsängste zwischen diesen Gruppen - wegen unterschiedlicher Interessen.

Die Wirtschaft will ihren Kunden sichere Produkte anbieten, zum Beispiel Software für die Verschlüsselung elektronischer Kommunikation. Geheimdienste hingegen tüfteln an virtuellen Überwachungsprogrammen, um Kriminellen und Terroristen das Handwerk zu legen. Dafür werden hochqualifizierte IT-Spezialisten benötigt, von denen es nur wenige gibt. Wirtschaft und Staat buhlen also um dieselben klugen Köpfe.

Das herkömmliche Völkerrecht hilft nicht weiter

In diesen Wettbewerb ist nun auch die Bundeswehr eingetreten, die im April mit dem Aufbau einer Cyber-Truppe (CIR) begonnen hat. Eine Armee zur Abwehr virtueller Angriffe ist in der militärischen Logik zwingend. Sie bewegt sich aber auf einem potenziellen Schlachtfeld mit unsichtbaren Gegnern. Denn Cyberwar funktioniert nach den gleichen Regeln wie Cybercrime: anonym. Dieser entscheidende Unterschied zur analogen Welt wirft gravierende rechtliche und ethische Fragen auf.

Wen bekämpfe ich mit welchen Waffen, wenn ich meinen Feind nicht kenne? Allein mit dem klassischen Völkerrecht wird man diese Frage nicht beantworten können. Antworten auf das virtuelle Wettrüsten kann nur die Diplomatie finden - auf höchster Ebene: bei den Vereinten Nationen. Ja, es klingt nach einer Illusion: Die Welt braucht Rüstungskontrolle im Cyberraum. Und für den Ernstfall, einen Cyberwar, so etwas wie die Genfer Konvention. Entwickelt wurden diese Regeln aber für analoge Kriege, in denen mit offenem Visier gekämpft wird - nicht anonym per Mausklick.

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Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland
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