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Es gibt kein perfektes Friedensabkommen

José Ospina-Valencia25. August 2016

Der Frieden scheint zum Greifen nah. Doch noch muss Kolumbien über das Abkommen abstimmen. Auch wenn der Vertrag nicht allen Wünschen entspricht, sollte sich Kolumbien für den Frieden entscheiden, meint José Ospina.

Kuba Kolumbien Friedensabkommen Regierung & FARC (Foto: Reuters/A. Meneghini)
Bild: Reuters/A. Meneghini

Das Abkommen ist da. "Endlich!", ist der viel geäußerte Ausruf in der Welt. Doch in Kolumbien gibt es auch Gegner des nach viereinhalb Jahren Verhandlungen abgeschlossenen Friedensabkommens zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla.

Das Abkommen bedeutet das Ende eines Kriegs, der über ein halbes Jahrhundert dauerte, 250.000 Menschen das Leben und sechs Millionen Binnenflüchtlingen die Heimat kostete. Dass der Krieg so lange kein Ende fand, liegt auch daran, dass es dabei immer auch Gewinner gegeben hat: Sowohl die bewaffneten extremen linken Guerillas der FARC als auch die von damaligen Regionalpolitikern und Großgrundbesitzern unterstützten rechten Paramilitärs haben profitiert.

Die Kriegsbeute

Die Beute dieser bewaffneten Gruppierungen sind mindestens 6,5 Milliarden Hektar Land, die sie den Kolumbianern und dem kolumbianischen Staat geraubt haben. Das entspricht circa 15 Prozent des kolumbianischen Staatsgebietes. Es ist ein Verbrechen kolonialer Dimension und ein Verbrechen, das von Kolumbianern an Kolumbianern begangen wurde. Diesen wie zahlreichen anderen Verbrechen soll mit dem Friedensvertrag nun ein Ende gesetzt werden. Es ist ein Vertrag, der in dem langen Friedensprozess noch nie so vollständig war. Und doch ist dieser Friedensvertrag nicht perfekt.

Es wurde nicht nur festgelegt, dass die rund 7000 FARC-Kämpfer ihre Verstecke verlassen und sich in Entwaffnungslager unter Aufsicht der Vereinten Nationen begeben müssen und dass ihre Waffen eingeschmolzen werden sollen. Sondern auch, dass die FARC zur politischen Partei wird, der im kolumbianischen Kongress zunächst zehn Sitze zugebilligt werden.

DW-Redakteur José Ospina-ValenciaBild: DW

Den Hass überwinden

Es ist besser, wenn Abgeordnete der FARC im kolumbianischen Kongress mit Argumenten und ohne Waffen debattieren als wenn sie Attentate gegen Zivilisten, Soldaten und Polizisten anordnen. Aber wer von denen, deren Familienmitglieder von der Guerilla entführt, verstümmelt, getötet oder vertrieben worden, ist bereit, das zu akzeptieren? Es ist verständlich, dass manche Opfer nichts von einem Frieden mit der FARC wissen wollen. Die Arroganz der FARC ist immernoch so groß wie der Schaden, den sie in den letzten fünf Jahrzehnten angerichtet haben.

Weniger verständlich ist es, dass viele Kolumbianer, die den Krieg nur aus dem Fernsehen kennen, der Meinung sind, dass der Krieg fortgeführt werden sollte - ihre Kinder schicken sie trotzdem nicht zum Militärdienst.

Politik nutzt nationales Trauma aus

Bei manchen hat sich die Ablehnung der Verbrechen der Guerilla in eine pathologische Abscheu gewandelt. Dabei ist es unerträglich, dass dieses nationale Trauma von einigen politischen Anführern - allen voran der frühere Präsident Alvaro Uribe - missbraucht wird, um Anhänger gegen das Friedensabkommen zu gewinnen.

Das Hirngespinst, dass ein anderer Präsident oder eine andere Partei zu einem späteren Zeitpunkt einen besseren Frieden aushandeln könnte, bleibt ein Hirngespinst. Alles andere würde nur bedeuten, den tiefen Hass zu verstärken, der jeglichen Frieden und Versöhnung verhindert. Und das scheint das wahre Ziel der Gegner des nun abgeschlossenen Abkommens zu sein.

Während die radikalen Rechten - auch die Paramilitärs - versuchen, den Frieden zu verhindern, möchte die Guerilla einen möglichst niedrigen Preis für ihre Verbrechen bezahlen. Das Abkommen wird hoffentlich einen Großteil der Wahrheit ans Tageslicht fördern. Denn in den nun anstehenden Gerichtsverhandlungen sollen die Verbrechen aufgeklärt werden, die durch jene begangen wurden, die vom Krieg profitiert haben. Und genau davor haben die Profiteure jetzt Angst.

Der weltweit als historisch gepriesene Vertrag kann erst in Kraft treten, wenn die Kolumbianer ihm in einem Referendum zustimmen. Dieses soll am 2. Oktober stattfinden. Es gibt nur wenige Momente in der Geschichte, in denen die Gesellschaft das Privileg hat, über ihr eigenes Schicksal zu entscheiden. Noch steht nicht fest, ob sich die Kolumbianer im Plebiszit für einen Schritt nach vorne oder den zurück entscheiden werden. Man kann nur hoffen, dass sie den Fortschritt - und somit den Frieden - wählen.

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