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Es sind nicht alle schlecht

Cornelia Rabitz19. Oktober 2007

Ein Viertel der Deutschen glaubt, dass unter den Nazis nicht alles schlecht gewesen sei, ergab eine Umfrage der Illustrierten "Stern". Als Beispiele wurde etwa der Bau der Autobahnen genannt. Cornelia Rabitz kommentiert.

Bild: DW

Nicht alles war schlecht im Reich der deutschen Nationalsozialisten unter Adolf Hitler. Diese Aussage ist keineswegs nur die Haltung von ein paar Ewiggestrigen, sondern von einem guten Teil der Bundesbürger. Im Jahr 2007 - mehr als 60 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes - ist jeder vierte Deutsche der Meinung, dass der Nationalsozialismus auch gute Seiten hatte. Als Beispiele nennt man den damals begonnenen Bau von Autobahnen genauso wie das Familienbild der Nazis, aber auch die, angeblich, geringere Kriminalitätsrate.

Alle verkappte Nazis?

Ein Viertel der Bundesbürger verkappte Nazis? Dies mag vielleicht Anhänger der rechtsextremen Splitterpartei NPD freuen. Zutreffend ist es in diesem groben Raster sicherlich nicht. Zunächst einmal sind drei Viertel der Befragten der Auffassung, dass die NS-Diktatur keinerlei gute Seiten hatte. Dies gilt es festzuhalten. Das übrige Viertel äußert dann doch eher diffuse Vorstellungen, die man zur Kenntnis nehmen und auf ihre Wurzeln hin prüfen muss.

Bei näherer Betrachtung fallen zwei Dinge ins Auge: Es sind ganz überwiegend Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen, die dem Nationalsozialismus heute gute Seiten abgewinnen können. Zweitens tendieren auffallend viele Ältere dazu, die NS-Zeit in einem positiven Licht zu betrachten.

Geschöntes Bild

Man muss also davon ausgehen, dass zwar ein nicht unbeträchtlicher Teil der Deutschen gut sechs Jahrzehnte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein geschöntes Bild der Naziherrschaft pflegt, und dass viele schlicht nicht mehr wissen, was damals geschah. Andere flüchten sich aus einem Gefühl der Verunsicherung, der Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit in die Vorstellung, dass damals alles seine Ordnung hatte und eben besser war. Doch zu einem manifesten rechtsextremen Weltbild gehören noch mehr Versatzstücke als die diffuse Bewunderung für Autobahnen oder ein verklärender Rückblick auf die nationalsozialistische Familienpolitik.

Das Ergebnis der jüngsten Erhebung zeigt mithin, das Ganze ist heute vor allem ein Problem der Bildung und eine soziale Frage. Dies muss man nüchtern, ohne Schaum vor dem Mund erkennen und Schlüsse daraus ziehen. Zum Beispiel den Schluss, dass Aufklärung und Information über das verbrecherische Naziregime auch gut sechs Jahrzehnte nach dem Ende des von deutschen Nazis angezettelten Weltkrieges noch wichtig und notwendig sind. Dass man sich, auch bei verblassender Erinnerung, um diese historische Erblast kümmern und sie als Teil der deutschen Geschichte erkennen muss. Unbedachte Äußerungen, rhetorische Ausrutscher, leichtfertige Vergleiche mit der NS-Zeit sollten sich verbieten. Wer über ausreichend Bildung verfügt, ein öffentliches Amt bekleidet, eine gesellschaftliche Vorbildfunktion einnimmt, muss heute wissen, was er sagt und wie er es formuliert. In die Falle des Nazi-Vergleichs sind schon viele getappt.

Darüber hinaus aber gilt: Im Kampf gegen die neuen Nazis, Rassisten, Antisemiten - egal, ob sie in Nadelstreifen oder in Bomberjacken und Stiefeln daherkommen - darf man nicht nachlassen.