EU-Außenpolitik ohne Trump
Lange nicht - vielleicht noch nie - war das Interesse an der Münchner Sicherheitskonferenz so groß wie in diesem Jahr. Vom Auftritt des US-Vizepräsidenten erhofften sich alle Klarheit über die künftige Außenpolitik der USA unter einem Präsidenten Trump. Das war dann doch der Erwartung zu viel. Für die klassischen Transatlantiker, die sich in München jedes Jahr treffen, gab es zwar Beruhigung an der NATO-Front: Der Präsident ließ seinen Vize ausrichten, die USA stünden zu ihren Verpflichtungen in der Allianz.
Dann aber kam nichts substantiell Weiterführendes. Dass die USA ihr Militärbudget kräftig steigern wollen und dass sie das Gleiche von ihren Bündnispartnern erwarten, dass sie den Atom-Deal mit dem Iran ablehnen und dass sie von Russland erwarten, dass es sich im Ukraine-Konflikt an das Minsker Abkommen hält - das alles war vor dem Auftritt des US-amerikanischen Vizepräsidenten bekannt. Mehr haben auch Verteidigungsminister James Mattis und Außenminister Rex Tillerson in dieser Woche in Deutschland nicht verraten. Offiziell hieß es, sie wollten zunächst zuhören. Inoffiziell ist klar: Sie wissen zwar, wie ihre eigene Position ist, nicht aber, wie die Außenpolitik ihres Präsidenten aussehen wird. Sprich: Sie wissen nicht, wer entscheidet.
Spätestens jetzt nach München heißt das: Es wird Zeit für Entscheidungen. Nicht nur - nicht mal vor allem - vom US-amerikanischen Präsidenten. Sondern für Entscheidungen der Europäer darüber, wie sie die Welt sehen und wie sie in ihr agieren wollen. Ob sie - wie die USA - Sicherheit vor allem in militärischer Stärke sehen oder ob sie den europäischen Weg verfolgen wollen: Kooperation statt Abschottung, multilaterale Strukturen stärken, Institutionen verbessern statt sie für "obsolet" zu erklären, Konflikten vorbeugen statt auf militärische Lösungen zu setzen.
Das sind der dringenden Aufgaben genug für die Europäische Union, auch wenn sie im Moment wenig geschlossen dasteht. Aber es sind Aufgaben, deren Lösung sie selbst in der Hand hat. Die Investition könnte sich lohnen: Sich Handlungsspielraum zu verschaffen, hilft gegen das Gefühl der Ohnmacht. Denn dass die EU die Lösung aller Probleme vom großen Bruder USA übernimmt, ist - siehe oben - nicht zu erwarten. Derzeit nicht und wohl auch nicht in näherer Zukunft.
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