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Politik

Kleinstaaterei ist keine Lösung für die EU

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
13. Oktober 2017

Sollte man auf die alten Nationalstaaten pfeifen und ein "Europa der Regionen" ausrufen? Für Katalonien klingt das wie ein Ausweg aus dem politischen Irrgarten, aber die EU würde im Chaos enden, meint Bernd Riegert.

Bild: Fotolia/kantver

Katalonien ist nicht die einzige Region in Europa, die nach mehr Unabhängigkeit strebt. Schottland, Südtirol, Aland, Flandern, vielleicht auch Bayern. Die Liste ist nicht vollständig. Manche Regionen streben auch nicht nach Eigenstaatlichkeit, sondern nur nach mehr Autonomie, andere wie Schottland oder Katalonien wollen unabhängige Nationalstaaten werden. Diese Fliehkräfte sieht man bei der EU in Brüssel zumindest mit gemischten Gefühlen. Denn sie stellen die Ordnung der existierenden Nationalstaaten in Frage. Die Integrität der Nationalstaaten, die EU-Mitglieder sind, zu schützen, ist aber Teil der EU-Verträge.

Nur wenn ein Nationalstaat intern und demokratisch seine innere Verfasstheit ändert, hat die Europäische Union damit kein Problem. Als Beispiel lässt sich hier der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik 1990 anführen oder die Trennung der Tschechoslowakei in zwei unabhängige Staaten 1992. Allerdings sind Tschechien und die Slowakei erst viel später der EU beigetreten. Auch eine mögliche Loslösung der Schotten aus dem Nationalstaat Großbritannien wäre aus Sicht der Europäischen Union zwar nicht wünschenswert, aber rechtlich unproblematisch, weil Großbritannien als Ganzes dem schottischen Referendum zugestimmt hatte. Anders als in Katalonien, wo der spanische Gesamtstaat das Recht der Katalanen auf ein Referendum verneint.

Es gibt nur maßgeschneiderte Lösungen

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Jeder Fall liegt ein wenig anders. Es gab ja auch noch die Abspaltung Kosovos von Serbien, die aber nicht von allen EU-Staaten anerkannt wird, oder die Auflösungen der Vielvölkerstaaten Jugoslawien und Sowjetunion. Teile dieser ehemaligen Staaten sind heute Mitglieder der EU. Eine Anerkennung eines unabhängigen Staates Katalonien durch andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union scheint aus heutiger Sicht ausgeschlossen. Die katalanische Regierung sollte da keine falschen Hoffnungen nähren.

Was aber könnte dann die Lösung, eine Zukunftsperspektive sein, um mit Konflikten zwischen Regionen und den übergeordneten Nationalstaaten umzugehen? Gibt es eine europäische Antwort? Das ab und an vorgeschlagene "Europa der Regionen" gibt es in Ansätzen schon. Zufällig tagt genau in dieser Woche in Brüssel der "Ausschuss der Regionen", ein Gremium in dem 350 Vertreter die Regionen aller 28 EU-Mitglieder in einer Art Parlament repräsentieren. Der Ausschuss der Regionen ist allerdings nur ein beratendes Gremium. Die gesetzgeberische Gewalt teilen sich in der EU die Nationalstaaten im Rat und das direkt gewählte Europäische Parlament. Der Vorschlag, in der EU die Nationalstaaten zu entmachten und die Regionen wie Katalonien, Kärtnen oder Schleswig-Holstein aufzuwerten und zu den eigentlichen Trägern der europäischen Identität zu machen, hat zwar staatstheoretischen Charme, in der Praxis ist er aber eher undurchführbar.

Nation oder Region?

Die historisch gewachsenen Nationalstaaten zu föderalisieren, dürfte schwierig werden. Es gibt ja nicht nur regionales Heimatgefühl, sondern auch eine nationale Identität, die sich nicht einfach auflösen lässt. Im Übrigen wollen die Sezessionisten in Katalonien ja eben nicht mehr eine Region in Europa sein, sondern ein vollwertiger Staat, weil sie glauben, dass Katalanen eine Nation bilden. Hier werden die Begrifflichkeiten und die Abgrenzungen schwammig. Was ist eine Nation, was ist eine Region, was eine Konföderation?

Heute müssen sich in Brüssel 28 Staaten und 750 Europaabgeordnete einigen, um Beschlüsse zu fassen. Würde man die Nationalstaaten durch die im Moment definierten Regionen in der EU ersetzen, würden zu jedem Gipfeltreffen nicht 28 Nationalstaaten, sondern 98 Regionen auflaufen. Diese Regionen entsprechen etwa dem, was man in Deutschland als Bundesland ansieht. Es ginge auch noch kleinteiliger. Bricht man Regionen auf die Ebene der Regierungsbezirke in Deutschland herunter, wären wir bei 276 Regionen. Nimmt man Landkreise oder Departements in Frankreich als Maßstab für eine politische Beteiligung in der EU, kommt man auf eine Zahl von 1342. Ein solches Europa wäre mit seinen heutigen Zuständigkeiten unregierbar.

Die Zahlen stammen übrigens von der Europäischen Statistikbehörde Eurostat. Die teilt die EU fein säuberlich in Regionen erster bis dritter Ordnung (NUTS) auf, weil EU-Fördermittel und Strukturbeihilfe schon heute so kleinteilig geplant und abgerechnet werden.

Die Zersplitterung in Regionen würde das politische Problem, das man in Katalonien sieht, nicht lösen. Den selbst definierten Nationen, die sich in Europa wie die Teile der Katalanen "unterdrückt" fühlen, muss wohl eher klar gemacht werden, dass Eigenstaatlichkeit und Kleinstaaterei in unserer Zeit keinen wirklichen Fortschritt bringen. Die Katalanen sollten versuchen, Spanien zu ändern, und die Schotten Großbritannien. Europa ist da der falsche Ansprechpartner.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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