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Politik

Gerade noch mal gutgegangen

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
5. Juli 2018

Das Europaparlament hat die Pläne zur Reform des EU-Urheberrechts mit den umstrittenen Upload-Filtern vorerst gestoppt. Das ist eine gute Nachricht, meint Martin Muno. Doch richtig aufatmen kann man noch nicht.

Bild: picture-alliance/dpa/L. Schulze

Wenn Bürgerrechtsorganisationen und Netzaktivisten gemeinsam mit dem Erfinder des World Wide Web, Tim Berners-Lee, Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales und weiteren Vertretern der Netzkultur gegen ein geplantes EU-Gesetzesprojekt Sturm laufen, sollten Internet-Nutzer sensibel aufhorchen. Wenn sich diesen Protesten noch eine illustre Koalition aus Internetwirtschaft (vertreten durch den Branchenverband Bitcom), der Internetgigant Google, Wissenschaftler aus ganz Europa und schlussendlich auch die Staatsministerin für Digitalisierung der Bundesregierung, die CSU-Politikerin Dorothee Bär anschließt, ist Gefahr im Verzug. Und wenn diese Staatsministerin davon spricht, dass sie sich angesichts des Gesetzentwurfs um die offene Gesellschaft sorgt, dann sollten sämtliche Alarmglocken schrillen.

Um was geht es? Dem Europaparlament lag ein Gesetzentwurf zur Reform des Urheberrechts vor. Heiß umstritten sind vor allem zwei Punkte: ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage sowie Uploadfilter für Online-Dienste wie YouTube und Co. Das Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Plattformen wie Google nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen. Ziel ist, die Verleger als Urheber geistiger Leistungen, sprich Artikeln, an den Werbeeinnahmen von Google zu beteiligen. An sich eine gute Idee, die allerdings nicht funktioniert. In Spanien etwa wurde so ein Gesetz eingeführt. Google schaltete daraufhin seinen Dienst "Google News" ab, um solche Zahlungen zu vermeiden. Die Folge: Die Abrufzahlen der spanischen Medien brachen ein - und damit auch deren Werbeeinnahmen.

Erst der Filter, dann die Zensur

Noch dramatischer ist der Plan, Plattformen durch die Installation von Uploadfiltern stärker in die Verantwortung zu nehmen. Mit diesen Filtern wird schon während des Hochladens geprüft, ob die Inhalte urheberrechtlich geschützt sind. Durch solche Filter werden aber nicht nur gravierende Verletzungen geblockt, sondern auch Dinge, die Tag für Tag Millionen von Nutzern amüsieren, wie Memes und Mashups. Ein Neymar, der durch die Welt rollt, wird ebenso aus dem Netz verschwinden wie Gifs aus Filmausschnitten. Und sogar die Wikipedia-Stiftung schlug Alarm: Denn auch ihr Medienarchiv könnte den Filtern zum Opfer fallen.

Gut, kann man einwenden, damit könnte man leben. Doch es gibt noch zwei gravierendere Einwände gegen den Upload-Filter. Der schwerwiegendste: Mit solchen Filtern entscheiden letztlich Provider und Plattformen darüber, was wir im Internet sehen - und was nicht. Und wenn erst einmal Urheberrechtsverletzungen technisch gefiltert werden, ist der Schritt zu politischer Zensur nicht weit. Unvorstellbar? In China hat Google zeitweilig mit den dortigen Zensurbehörden zusammengearbeitet, um seinen Auftritt im Reich der Mitte nicht zu gefährden. Technisch war das alles kein Problem.

Google und Co. werden gestärkt, nicht kontrolliert

Das letzte Argument gegen den Uploadfilter ist der, dass kleine Plattformen sich solch technisch aufwändigen Mittel gar nicht leisten können. Das derzeit meistgenutzte System namens Content ID stammt von wem? Richtig: von Google. Mit Upload-Filtern werden die großen Konzerne eher gestärkt - und nicht geschwächt, wie es der Entwurf des neuen EU-Urheberrechts eigentlich vorsah.

Dass das EU-Parlament diesen Wahnsinn gestoppt hat, ist eine gute Nachricht. Doch ganz vom Tisch ist das Gesetzeswerk noch nicht. Voraussichtlich im September will sich das Parlament noch einmal mit dem Entwurf befassen und Änderungen beschließen. Die müssten vor allem beim Leistungschutzrecht und bei der Filterpflicht substanziell sein und nicht nur kosmetisch.

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