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Politik

EU stößt Balkan vor den Kopf

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
18. Oktober 2019

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron hindert die EU daran, Beitrittsgespräche mit den Balkan-Staaten Albanien und Nord-Mazedonien zu beginnen. Ein Fehler, meint Europa-Korrespondent Bernd Riegert.

Monsieur Non: Macron möchte erst die EU reformieren und dann erweitern - vielleicht...Bild: Reuters/P. Wojazer

Die Enttäuschung in Nord-Mazedonien und Albanien ist groß. Und sie ist verständlich. Laut EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Ratspräsident Donald Tusk haben die beiden Länder auf dem westlichen Balkan alle Bedingungen erfüllt, um Beitrittsverhandlungen mit der EU zu beginnen. Seit 2003 wird ihnen und den übrigen Balkan-Staaten der Beitritt in Aussicht gestellt. Seit 2009 bereits erfüllt Nord-Mazedonien die formalen Kriterien, seit 2018 ist das auch für Albanien der Fall. Nachdem Nord-Mazedonien nun auch noch den Streit um seinen Staatsnamen mit Griechenland beigelegt hat, durfte man in Skopje davon ausgehen, dass es bei diesem EU-Gipfel nun endlich klappen würde. 

Nur ein Staatschef, der französische Präsident Emmanuel Macron, ging in die totale Ablehnung. Er sagte Nein zu den Kandidaten und Nein zum Beitrittsverfahren überhaupt. Zwei weitere, der niederländische Premier und die dänische Ministerpräsidentin, versteckten sich in seinem Windschatten und lehnten Gespräche mit Albanien ab. 

Macrons unverständliches Veto stürzt die Europäische Union nicht nur auf dem Balkan, sondern auch in Brüssel in eine doppelte Glaubwürdigkeitskrise. Was sind Zusagen der EU wert, wenn trotz aller umgesetzter Reformen und aller Anstrengungen bei den Kandidaten am Ende nicht geliefert wird? Wozu prüfen die Experten in der nicht gerade unkritischen EU-Kommission die Beitrittskandidaten jahrelang auf Herz und Nieren, wenn am Ende ein Nein aus Paris reicht, um die vielen Prüfergebnisse Makulatur werden zu lassen? 

Die neue EU-Kommissionspräsidentin, Ursula von der Leyen, die sich für eine Aufnahme der Balkanstaaten ausspricht, wird es demnächst schwer haben mit dem französischen Widerstand. Da hilft es nicht, dass Macron ihr erst das Amt verschafft hat und jetzt beleidigt ist, weil seine französische Kandidatin für die EU-Kommission gescheitert ist. Macron ist sauer auf Brüssel. Selbst gutes Zureden von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die selbst für die Erweiterung plädiert, half nicht.

Macron geht es um etwas anderes

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die Glaubwürdigkeit der EU und die Folgen in den Balkanstaaten, nämlich Frustration und nachlassender Reformwille, sind dem französischen Präsidenten offenbar nicht so wichtig wie die innenpolitischen Argumente, die er vorschiebt. Natürlich sitzt ihm die rechtspopulistische Opposition im Nacken, die nicht mehr Einwanderer in Frankreich will und sowieso gegen die EU schwadroniert. Deshalb sollte man aber wohl kaum die gemeinsame EU-Politik untergraben. Auch in Deutschland kritisieren die Rechtspopulisten den Erweiterungskurs. Das beeindruckt die Kanzlerin bisher nicht. 

Macrons Argument, Albanien könne keine Beitrittsverhandlungen starten, weil so viele Albaner in Frankreich um Asyl nachsuchten, ist ebenfalls hohl. Genau 74 Albanern wurde 2018 in Frankreich Asyl gewährt. Die übrigen 8000 Antragsteller sind wohl Wirtschaftsmigranten und können zurückgeschoben werden. Die Frage ist eher, warum die wirtschaftlichen Verhältnisse in Albanien so schlecht sind, dass sich so viele Menschen auf den Weg machen. Der Beitrittsprozess, der sicherlich zehn Jahre oder mehr dauern dürfte, könnte dazu genutzt werden, das Land fitter zu machen und an EU-Standards heranzuführen. Es ist ja nicht so, dass Albanien und Nord-Mazedonien morgen beitreten und sofort Arbeitnehmer-Freizügigkeit gelten würde. Umgekehrt würde eher ein Schuh daraus.

Die EU hat aus den Fehlern während der Aufnahmeverfahren mit Bulgarien, Rumänien und der Türkei durchaus gelernt. Heute sind die Verfahren viel aufwendiger und rigider geworden. Eine weitere Anpassung, die der französische Präsident mit Recht fordern kann, geschieht aber während der Verhandlungen und nicht vorher. Das Beitrittsverfahren war nie und ist auch kein starres Abhaken von Kriterien, sondern ein Prozess, in dem auf Entwicklungen in den Beitrittsländern reagiert wird. Bestes Beispiel dafür sind die seit 14 Jahren laufenden Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, die wegen der autokratischen Anwandlungen von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan praktisch eingefroren sind.

Ohne die Perspektive, irgendwann zur EU zu gehören, ist der Frieden zwischen den Balkanländern gefährdet. Der Einfluss Russlands, Chinas und auch der Türkei könnte wachsen. Das kann der französische Präsident im Ernst nicht wollen. 

Die Argumente Frankreichs sind schwach. Emmanuel Macron sollte sein Veto überdenken, es sei denn, er will selbst den Populisten geben. Nächste Chance ist der EU-Gipfel im Dezember. 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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