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Europa igelt sich ein

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Robert Schwartz
20. Juni 2015

Mit einem Zaun an der Grenze zu Serbien plant die ungarische Regierung, Flüchtlingsströme aus Nahost und Afrika zu stoppen. Europa reagiert empört, doch sollten wir uns vor Heuchelei hüten, meint Robert Schwartz.

Der Grenzzaun zwischen Bulgarien und der TürkeiBild: Dimitar Dilkoff/AFP/Getty Images

Elend und Kriege nehmen weltweit zu, Bilder von Flüchtlingswellen gehören inzwischen zu unserem Medien-Alltag. Menschen aus Afrika und dem Nahen Osten, aus Asien und aus Europas östlichen und südlichen Randgebieten verlassen zu Zigtausenden ihre Heimat. Sie suchen Schutz nicht nur vor Zerstörung und Tod, sondern auch vor politischer Verfolgung und Armut. Und das sichere, das reiche Europa? Es schottet sich ab und sieht sich nicht in der Lage, diese Probleme politisch zu regeln. Zugegeben, einfach ist es nicht.

Mauern sind keine Lösung

Doch die Lösung kann nicht sein, Mauern zu errichten. Das hat uns die Geschichte immer wieder eindrucksvoll bewiesen. Das weiß auch die Europäische Union, das wissen auch die einzelnen Mitgliedsstaaten. Und dennoch: Es gibt sie immer zahlreicher, die hohen Wände und Zäune, mit denen sich Europa buchstäblich einmauert. Zuerst hat Spanien versucht, sich gegen die Flüchtlingsströme aus Nordafrika mit einem scharfkantigen Zaun zu schützen. An der griechisch-türkischen und der bulgarisch-türkischen Grenze stehen sie auch schon. Und neue Mauern werden folgen, die nächste an der Grenze Ungarns zu Serbien.

Die Empörung darüber ist groß, doch sollten wir uns vor Heuchelei in Acht nehmen. Der EU-Erweiterungsprozess nach Süden, Osten und Südosten war von Anfang an begleitet mit einer Reihe von Maßnahmen zur Sicherung der Außengrenzen. Aufgenommen wurden die jüngsten Mitglieder nur, nachdem sie diese Grenzen gesichert hatten. Europäische Großkonzerne wie zum Beispiel EADS haben mit Milliardenaufträgen die Ostgrenzen der EU elektronisch hochgerüstet. Die europäische Grenzschutzagentur Frontex hat am Mittelmeer schon längst eine unsichtbare Mauer hochgezogen. Europa ist nicht erst durch Stacheldraht und Beton zu einer Festung umgebaut geworden.

Robert Schwartz leitet die Rumänische Redaktion der DW

Flüchtlinge kommen trotz Mauern

Allerdings haben weder sichtbare noch unsichtbare Zäune und Mauern Flüchtlinge bisher davon abgehalten, ein Schlupfloch zu suchen, um sich irgendwie in die erhoffte Sicherheit und Zukunft zu bringen. Im Gegenteil: Traurige Statistiken belegen, dass die Sperranlagen vor allem die Zahl der Toten und Verletzten erhöht haben. Die Zahl derer, die sie überwinden, steigt aber genau so, wie die Gesamtzahl der Flüchtlinge überhaupt.

Doch trotz dieser Erkenntnisse bleiben wir eisern dabei, unsere europäische Wagenburg vor Flüchtlingen und Migranten zu schützen. Wir überwachen, lassen überwachen und werden überwacht! Alles zum Wohl unseres Wohlstands! Wir erklären Staaten zu sicheren Herkunftsländern, obwohl sie von demokratischen und rechtsstaatlichen Standards noch weit entfernt sind. Und wir ziehen Mauern hoch!

Zuwanderung - kein Schreckgespenst

Dabei haben all diese Maßnahmen schon längst ihre erhoffte Wirkung verfehlt. Es ist an der Zeit, dass verantwortungsbewusste Politiker in der EU nicht nur die Probleme benennen, sondern auch gezielt nach wirksamen und humanen Lösungen suchen. Das Recht auf Asyl, das Recht auf ein menschenwürdiges Leben in Freiheit und Sicherheit - diese Grundrechte dürfen nicht länger ausgehebelt werden. Die Fluchtursachen müssen endlich verstärkt bekämpft werden. Und: Die Mauern müssen weg - auch die in unseren Köpfen! Zuwanderung darf in der EU nicht länger ein populistisch besetztes Schreckgespenst sein!

Einen ersten Ansatz gibt es bereits: Nach den jüngsten Bootskatastrophen im Mittelmeer mit Tausenden Toten scheint die EU-Kommission die europäische Flüchtlingspolitik neu ausrichten zu wollen. Bisherige Versuche waren am Egoismus der einzelnen Mitgliedsstaaten gescheitert. Jetzt kann die EU zeigen, dass sie es ernst meint mit der europäischen Wertegemeinschaft.

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