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Politik

Trump kennt Europa nicht

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
16. Januar 2017

So viel Unsinn in nur einem Interview: Die Äußerungen von Donald Trump besorgen die EU und die NATO. Der künftige US-Präsident hält von beiden Organisationen wenig. Eine schnelle Antwort ist nötig, meint Bernd Riegert.

Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

Aha! Die Briten wollen die EU also verlassen, weil sie gezwungen wurden, zu viele Flüchtlinge aufzunehmen ! Das behauptet Donald Trump in seinem Interview mit der deutschen Zeitung "Bild" und dem britischen Blatt "The Times". In Europa schlägt das Gespräch mit den Zeitungen hohe Wellen. Die Einschätzung Trumps ist ausgemachter Unsinn. Großbritannien hat so gut wie keine Flüchtlinge aus Syrien oder sonst woher aufgenommen. Gezwungen wurde das Land schon gar nicht. In der Brexit-Kampagne ging es um Zuwanderer aus der EU.

Der nächste Präsident der USA redet dämlich daher. Die EU sei gegründet worden, um die USA im Handel zu übertrumpfen, fabuliert er. Man schenke dem bald mächtigsten Mann der Welt ein Geschichtsbuch, von mir aus auch in Twitter-Versen, damit er es überhaupt lesen und verstehen kann! Trump hält die Europäische Union für gescheitert. Viele Staaten würden austreten. Brexit sei ein tolles Vorbild. Die EU sei für Deutschland ein "Vehikel", kritisiert der gewählte Präsident. Vehikel für was? Unterdrückung der Briten oder Griechen? Oder doch eher ein Vehikel, um die europäische Einigung voranzutreiben und die osteuropäischen Staaten, die nach dem Scheitern des Sowjetblocks im Regen standen?

Briten und Trump - ein seltsames Paar

Bernd Riegert, DW-Korrespondent in Brüssel und zuvor in Washington

Nebenbei kündigt der demnächst mächtigste Mann der Welt gleich noch einen Handelskrieg gegen deutsche Automobilfirmen an, der gegen die von den USA akzeptierten internationalen Regeln verstoßen würde. Der Geschäftsmann Trump sollte einmal seine Kollegen in amerikanischen Unternehmen fragen, was sie davon halten, wenn sie Zölle für den Export ihrer Waren nach Deutschland, in die EU oder auch Mexiko bezahlen müssten. Der selbstverliebte Donald Trump gefällt sich in seiner Rolle als Abrissbirne. Alles, was war, ist schlecht, nur seine verquasten Ideen zählen. Wer denn an die Stelle der EU, eines treuen Verbündeten der USA, treten sollte, das sagt Trump nicht. Vielleicht lauter kleine und kleinste Nationalstaaten, die ein "Trump-Amerika" viel einfacher mit Handelsschranken und Zöllen überziehen kann?

Abstoßend ist, wie sich der Wendehals Boris Johnson als britischer Außenminister dem "President-elect" an den Hals wirft. Im Wahlkampf nannte Johnson Mister Trump unfähig und verrückt. Jetzt ist Trump plötzlich der große Onkel, der dem taumelnden Land aus dem Brexit-Strudel helfen soll. Ein separates Handelsabkommen der Briten mit den Amerikanern ist möglich, aber erst nachdem der Brexit stattgefunden hat, also in zwei Jahren.

Osteuropa muss zittern

Als Beleg für die Unfähigkeit der EU führt Trump an, irische Umweltauflagen hätten den Ausbau eines seiner Golfplätze verhindert. Geht es noch? Eine enttäuschter Geschäftsmann bastelt sich ein Weltbild, in dem er das absolute Zentrum ist. Und das ist jetzt die Grundlage für die Außenpolitik einer Supermacht? Bei NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrillen die Alarmglocken. Trump hält die Allianz für überflüssig, überholt und gleichzeitig wichtig. Er flirtet mit dem russischen Autokraten Wladimir Putin, bietet ihm für einen Abrüstungsdeal die Aufhebung von Wirtschaftssanktionen an, die wegen einer Völkerrechtsverletzung verhängt wurden. Die osteuropäischen NATO-Staaten haben mit Recht Angst vor den russischen "grünen Männchen", also einsickernden russischen Kämpfern. Wladimir Putin ist schlau, da hat Trump ausnahmsweise Recht. Er wird sehr bald testen, wie weit er gehen kann.

Die Angst geht um in Brüssel, dass sich Trump und Putin als Männerfreunde an einen Tisch setzen und über die Köpfe der Europäer hinweg die Welt neu aufteilen. Putin bekommt, sagen wir einmal, das Baltikum, die Ukraine, Georgien und Moldawien. Dafür darf Trump im Rest Europas schalten und walten. Wäre das ein möglicher "Deal", von dem der selbst ernannte Macher Trump immer wieder gesprochen hat? Die Balten und Polen müssen ernsthaft zweifeln, ob ein Präsident Trump tatsächlich zur Verteidigung dieser Länder schreiten würde, wenn sich Russland aggressiv verhalten sollte. Ohne die glaubhafte amerikanische Bereitschaft der USA, als wichtigste NATO-Macht zur ihrer Beistandsgarantie zu stehen, ist Europa verloren.

Entsetzen reicht nicht

Viele EU-Außenminister waren in Brüssel zurecht entsetzt von den Äußerungen des Berserkers im Weißen Haus. Nur müssten sie jetzt schnell und geschlossen mit einer Antwort aufwarten. Doch noch ducken sie sich zu sehr weg. Europa und die EU dürfen sich das nicht gefallen lassen. Auch ohne Briten ist der alte Kontinent von der Bevölkerung her größer und von der Wirtschaft her ebenso potent wie die USA. Die Schockstarre muss aufhören. Man darf nicht mehr darauf hoffen, dass der Wahlkämpfer Trump es schon nicht so ernst gemeint hat und der Präsident Trump zu einem vernünftigen Kurs finden würde. Europa muss dringend seine eigene Verteidigung organisieren.

Man darf nicht darauf hoffen, dass die neuen amerikanischen Minister die "Trumpsche Welt" schon zurechtbiegen werden. Nein, Trump ist Trump. Im Wahlkampf hat er gesagt, er werde der beste Präsident werden, den Gott je erschaffen habe. Das glaubt er wirklich. Nun ist es soweit. Die amerikanische Demokratie wird auf Gottesgnadentum gebaut. Aufwachen, Europa!

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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