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Politik

Apokalyptikern ist alles egal

Kommentarbild Muno Martin
Martin Muno
21. November 2019

Der Extinction-Rebellion-Mitgründer Roger Hallam relativiert den Holocaust. Damit stellt er sich selbst ins Abseits. Aber es wirft auch ein bezeichnendes Licht auf die gesamte Organisation, meint Martin Muno.

Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Dunham

"Nur ein weiterer historischer Scheiß" sei der Holocaust, sagte Roger Hallam der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit". Genozide habe es schließlich in den vergangenen 500 Jahren immer wieder gegeben. Die despektierlich-flapsige Rhetorik Hallams erinnert an das Wort des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, wonach die zwölf Jahre des Nationalsozialismus nur ein "Vogelschiss in über 1000 Jahren deutscher Geschichte" gewesen seien.

Hallams Aussage ist somit klar als rechtspopulistisch zu verorten. Und sie passt ins Bild: So sprach sich Hallam im September dafür aus, dass auch Rechtsextremisten und Sexisten bei Extinction Rebellion (XR) mitmachen dürfen. Und das Logo der Organisation hat deutliche Ähnlichkeit mit Runen - einer von Rechtsextremisten genutzten Bildsprache.

Eine Trennlinie zwischen konservativ und rechtsradikal

Über die Frage, ob der Holocaust einzigartig war, wurde wiederholt gestritten. 1986 schrieb der Historiker Ernst Nolte, die Vernichtung der Juden sei lediglich eine Reaktion auf stalinistische Massenverbrechen, sie sei daher eine "asiatische Tat". Nolte löste damit den sogenannten Historikerstreit aus. Es war Jürgen Habermas, der entschieden die These von der Singularität des Holocaust vertrat und vor einer "Normalisierung" der nationalsozialistischen Vergangenheit warnte - einer Normalisierung, wie sie derzeit von vielen Vertretern der rechtspopulistischen AfD betrieben wird.

DW-Redakteur Martin Muno

In der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2019 ist die Bedeutung des Holocaust eine der Fragen, die die Trennlinie zwischen konservativ und rechtsradikal markieren. Wer die Vernichtung der Juden relativiert oder gar leugnet, verlässt folglich den Boden des demokratischen Diskurses. Und genau das tut Roger Hallam.

Aus Sicht Hallams und seiner Gefolgsleute ist das folgerichtig. Denn wenn alle Pflanzen, Tiere und auch die gesamte Menschheit aufgrund der Klimakrise den Hitzetod sterben, verliert alles andere seine Bedeutung. Angesichts der Apokalypse wird zumindest diesseits der Religionen alles zu Un-Sinn. Dann ist es auch egal, ob der Holocaust einzigartig war.

Ein Bärendienst für die Klimabewegung

Nach dieser Denkweise ist es aber auch unerheblich, ob ich meine Steuern zahle, ob ich freundlich zu meinen Mitmenschen bin oder ob ich mich für eine bessere Welt engagiere. Im Auge des nahenden Todes ist es außerdem egal, ob ich versuche, klimabewusst zu leben, oder ob ich auf meine letzten Tage eine Fernreise nach der anderen unternehme, mit dem größtmöglichen SUV zum nahegelegenen Bäcker fahre oder meinen Plastikmüll direkt in den nächsten Fluss werfe.

Auch wenn sich die deutsche Sektion von XR von Hallams Äußerungen distanzierte: Extinction Rebellion, das muss man so deutlich sagen, ist eine Weltuntergangssekte. Eine, die auf Emotionen setzt und Ängste schürt. Eine, die sich der notwendigen Diskussion verweigert, wie wir den CO2-Ausstoß rasch und merklich reduzieren und langfristig klimaneutral leben können. Damit erweisen Hallam und seine Mitstreiter der gesamten Klimabewegung einen Bärendienst.