1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Föderal sein geht auch kleiner!

Volker Wagener25. Oktober 2014

Deutschland, das sind 16 Bundesländer. Und wenn es ums Geld geht, wird aus der föderalen Gemeinschaft ganz schnell eine zänkische Familie. Eine Länderreform ist überfällig, findet Volker Wagener.

Länderfinanzausgleich Symbolbild Geldscheine Spritze
Bild: imago

Das hat sie taktisch klug angestellt, die Ministerpräsidentin des kleinsten Flächenlandes Deutschlands, des Saarlandes. Mitten in den Verhandlungen über eine Neuregelung des Länderfinanzausgleichs fordert Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) eine radikale Neuordnung der Republik. Deutschland könne auch mit nur sechs bis acht statt wie bisher mit 16 Bundesländern föderal funktionieren, argumentiert sie nicht uneigennützig.

Denn es ist nur ein taktischer Aufruf zur Selbstabschaffung. Das Saarland hat die höchste Pro-Kopf-Verschuldung (6220 Euro), wäre also ein Übernahmekandidat (für Rheinland-Pfalz). Das will sie sicher nicht. Aber Druck aufbauen will sie.

Bayern und Hessen – zwei der reichen Länder – wollen nicht mehr wie bisher für die Habenichtse zahlen. Das wäre der finanzpolitische Tod für das Ländchen (weniger als eine Million Einwohner!). Die Landesmutter aus Saarbrücken ist letztlich nur schein-radikal. Sie droht mit dem Tabubruch, um den solidarischen Finanzausgleich am Leben zu erhalten. Besser wäre aber der langsame Abschied von der deutschen Viel-Länderei. Leider ist erst einmal eine Fusion geglückt – mit Hilfe von außen.

Wir wurden nicht gefragt: Die Gründung des Südwestlandes

Als nach 1945 die Besatzungsmächte in Deutschland das Sagen hatten, nahmen sie wenig Rücksicht auf Identitätsbefindlichkeiten und historische Zugehörigkeiten. Sie hatten Interessen. Im Südwesten waren Amerikaner und Franzosen die politisch Verantwortlichen. Sie hatten maßgeblichen Anteil an der Gründung von Baden-Württemberg 1952, das damals noch aus Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern bestand. Kaum jemand hat den Zusammenschluss betrauert. Das Bundesland im Südwesten ist eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte.

DW-Redakteur Volker WagenerBild: DW

Und auch die Eigenständigkeit Bremens hat nur bedingt etwas mit der stolzen Hansegeschichte zu tun. Die norddeutsche Kommune lag in der britischen Besatzungszone, doch die Amerikaner forderten einen Meerzugang und bekamen so die Verantwortung für die Stadt samt Bremerhaven. Die privilegierte Lage stand Pate bei der Eigenständigkeit bis heute. Was Bremen schon seit langem vor finanzielle Probleme stellt.

Verrückt: Lieber klein und arm, als groß und finanziell gesund

Umschlossen vom Flächen-Bundesland Niedersachsen, gehen Bremen Jahr für Jahr Steuergelder verloren. Ein Großteil derer, die in Bremen ihr Geld verdienen, leben außerhalb des Stadtgebietes auf niedersächsischen Grund. Die Gesetzgebung will es, dass die Steuern dort erhoben werden, wo jemand wohnt. Der Finanzminister in Hannover freut sich und Bremen, welches die Arbeitsplätze vorhält, geht leer aus. Trotzdem kommt nur Bremer Außenseitern in den Sinn, ihre historische Hansestadt in ein größeres Niedersachsen einzubringen. Wäre aber klug!

Die jahrhundertelange deutsche Kleinstaaterei, die verspätete Nationalstaatsbildung und der Föderalismus nach 1945 als bewusste Maßnahme gegen den Berliner Zentralismus – irgendwie spielen diese historischen Dimensionen immer eine Rolle, wenn es um die Frage geht: Wann wollen wir den Föderalismus endlich billiger machen?

Die Gründe des Widerstands gegen Zusammenlegungen können aber auch andere sein. Als 1996 die Vereinigung von Berlin und Brandenburg anstand, lehnten die finanziell klammen Brandenburger ab. Die noch massivere Schuldenlast der Hauptstädter schreckte sie offensichtlich so sehr, dass sie lieber nichts vom Glanz der Metropole abhaben wollten.

Wir brauchen eine "Agenda Föderalismus 2030" – jetzt!

Es ist erstaunlich, wie nostalgische Gefühle von vergangener Größe und diffuse Ängste vor Marginalisierung vernünftige Politik verhindern. Schon jetzt können selbst die reichen Bundesländer ihr Kerngeschäft, die Bildungspolitik, kaum finanzieren. In 16 Landeshauptstädten werden riesige Verwaltungsapparate vorgehalten, und selbst sinnvollste grenzüberschreitende Infrastrukturmaßnahmen scheitern an Partikularinteressen. Wir können uns diese Länder-Republik nicht mehr leisten. Wie wäre es mit einer "Agenda Föderalismus 2030"?