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Politik

Für das offene Europa kämpfen!

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Jens Thurau
1. September 2019

In Polen wird an diesem Wochenende an den Kriegsbeginn 1939 erinnert. Vor allem für die Deutschen wird die Verpflichtung immer größer, heute gegen die Gegner der Demokratie aufzustehen, meint Jens Thurau.

Bild: Getty Images/AFP/O. Messinger

Vor 80 Jahren überfiel Deutschland Polen. Eine lange Zeit ist seitdem vergangen. Vor 80 Jahren begann damit der 2. Weltkrieg. Und weil das so viele Folgen hat, für noch immer viele Menschen, fühlt es sich oft so an, als sei es gerade erst geschehen.

Nach dem Krieg hat die Generation, die dabei war, meist geschwiegen. Die Kinder und Enkel haben nachgefragt, mühsam und oft sehr spät wurde über all das Furchtbare gesprochen, was Deutsche ihren Nachbarvölkern angetan hatten. Viel ist seitdem aufgearbeitet worden, aber immer noch bleiben Lücken, Verletzungen, Distanzen, bis heute. Und sie werden noch lange bleiben, vielleicht sogar für immer.

Friedensprojekt in Gefahr

Politisch war die Zeit nach dem Krieg global gesehen auch nicht friedlich. Als in Europa die Waffen schon schwiegen, setzten die USA in Japan die Atombombe ein. Dann kamen der Korea- und der Vietnamkrieg, die Kriege im Nahen Osten, Militärregime in Südamerika. Auch in Europa waren neue Konflikte auch in direkter Nähe spürbar: Jugoslawien zerfiel blutig in seine Nationalitäten, der Angriff auf die USA am 11. September 2001 traf auch Europa ins Mark. Aber die große Mehrheit wollte auch lange Zeit nach dem Krieg vor allem eines: Nie wieder solche Zerstörungen, nie wieder Nationalismus!

Deutschland versöhnte sich mit Frankreich und seinen anderen westlichen Nachbarn, Willy Brandt fiel in Warschau auf die Knie. Die Europäische Union wuchs und wuchs, ein Friedensprojekt, offensiv so betitelt von den Politikern. Die Mauer fiel, der Kalte Krieg wurde beendet, und für einen kurzen Moment schien es, als könnte wirklich eine neue, eine multilaterale Welt entstehen. Nelson Mandela wurde Präsident in Südafrika. Bill Clinton kam 1994 nach Berlin und rief den Menschen zu: "Alles ist möglich!" Ja, so schien es. Die Staaten Osteuropas traten der EU bei, wie selbstverständlich. Sie sind ja auch genauso europäisch wie die Staaten im Westen des Kontinents.

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Jetzt, 2019, 80 Jahre nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, blickt man in viele ängstliche Gesichter vor allem älterer Menschen. Der Nationalismus ist wieder da, die Hetze gegen Menschen, die von woanders her kommen oder anders aussehen. Im Weißen Haus sitzt ein Populist, ein anderer regiert in London. Die besonnenen Politiker kämpfen um das Friedensprojekt der EU. Kaum einer traut sich noch, eine der ursprünglichen Begründungen für den Staatenbund als Argument ins Feld zu führen: Das grenzenlose, das verbindende Europa. Bald wird die junge Generation (wenn nicht noch ein Wunder geschieht) erleben, was es heißt, wenn ein Land wie Großbritannien neue Mauern errichtet.

Die Vernünftigen dürfen nicht schweigen

Gedenktage wie jetzt in Polen werden deshalb immer wichtiger. Aber viel mehr noch das Gespräch mit den wenigen noch lebenden Zeitzeugen, die die unvorstellbaren Grausamkeiten von damals noch mit eigenen Augen haben mitansehen müssen. Die bürgerliche Mitte in Europa, allen voran in Deutschland, muss bereit sein, für die Errungenschaften nach 1945 zu kämpfen, für Demokratie, Menschlichkeit, Internationalität. So, wie es 1989 die mutigen Menschen in der DDR taten. Feinde der Demokratie gibt es wieder genug. Sie werden nicht mit Panzern kommen wie damals, Soldaten werden zum modernen Cyber-Krieg nicht mehr gebraucht, jedenfalls kaum in Europa. Demokratie kann man aber nur von innen verteidigen, aus der Mitte der Gesellschaft. Es stimmt ja gar nicht, dass die Populisten, die Schreihälse, die Hetzer, überall in der Mehrheit wären. Das Problem ist, dass die Vernünftigen schweigen. Das zu beenden, muss die Lehre sein 80 Jahre nach Kriegsbeginn. Das öffentliche Erinnern an die Greuel von damals gehört dazu.

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