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Politik

Wie viele Löcher hat der Käse?

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
10. Februar 2017

Somalia steht in der westlichen Welt als Inbegriff für Anarchie. Nun hat das Land einen neuen, überraschend gewählten Präsidenten. Dieser könnte eine Chance für das geschundene Land sein, meint Ludger Schadomsky.

Der neue Präsident Somalias, Mohamed Abdullahi, genannt FarmajoBild: Getty Images/AFP/M. Haji Abdinur

Schon der Ort der Präsidentschaftswahl spricht Bände über die Herausforderungen, denen sich Mohamed Abdullahi Mohame, genannt Farmajo, ausgesetzt sieht: Sollte der Urnengang ursprünglich in der Polizeiakademie im Herzen Mogadischus stattfinden, wurde er am Ende in einem festungsartig gesicherten Flugzeughangar abgehalten - dort, wo sich Friedenstruppen, Soldaten und Geschäftsleute vor den Steinzeitkriegern der Al-Shabaab-Miliz verschanzen.

Grund für die Verlegung waren Sicherheitsaspekte - aber auch die völlig deplatzierte Wahlempfehlung des Gastgebers, des Polizeipräsidenten. Politische Einflussnahme gehört dazu in Somalia, wie die tägliche Ration der Kaudroge Khat. Dass auch noch die Wahlzettel sorgfältig nummeriert und erst innerhalb des Wahllokales gedruckt wurden, um Manipulationen zu verhindern, zeigt das ganze Ausmaß der somalischen Misere seit 1991.

Am Ende stand ein Ergebnis, das etwas an die Präsidentschaftswahl in den USA erinnerte: Umfragen im Vorfeld, darunter der recht zuverlässigen Data Grid Somalia, hatten Amtsinhaber Mahmud mit über 40 Prozent weit in Führung gesehen. Farmajo kam dagegen nur auf magere zwölf Prozent. Da das komplizierte Wahlrecht zudem Mahmuds Clan der Hawiye bevorzugt, schien die Sache klar.

Eine Wahl gegen das Establishment

Doch dann kam es wieder einmal anders: Wie schon die Amerikaner wählten die Somalis gegen das Establishment, auch wenn der neue Präsident selbst einmal Premier war - das allerdings nur für acht Monate. Vor allem wählten sie einen Darood und stellten damit die schwierige Balance zwischen den Clans auf den Kopf. Wie die meisten Partner der USA die Wahl Trumps mit Entsetzen aufnahmen, so sind auch Somalias Nachbarn nur bedingt begeistert: Der Regionalhegemon Äthiopien beispielsweise hätte gerne den Amtsinhaber Mahmud im Regierungssitz "Villa Somalia" belassen.

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen.

Dies alles sollte Farmajos Ansehen im Volk und damit seine Autorität erhöhen. Denn die wird der studierte Historiker und Politikwissenschaftler benötigen, wenn er nun die mannigfachen Aufgaben angeht: die verheerende Sicherheitslage zu stabilisieren und die verlotterten somalischen Streitkräfte SNA zu professionalisieren, nicht zuletzt im Zusammenspiel mit der Friedenstruppe AMISOM der Afrikanischen Union. Nur so ist dem Terror der Al-Shabaab-Miliz beizukommen. Auch die unzuverlässige und korrupte Polizei, die die Somalis tagtäglich schikaniert, muss dringend reformiert werden. Und nicht zuletzt müssen die für die somalische Gesellschaft so wichtigen, weil effizienten und starken Frauen gestärkt werden. Mit der fast revolutionären Einsetzung einer Generalsekretärin in seiner Partei "Tayo" hat Farmajo dabei schon das richtige Gespür gezeigt.

Ein Bock wird Gärtner bei der Korruptionsbekämpfung?

"Dies ist der Beginn der Einheit der somalischen Nation und der Beginn des Kampfes gegen […] Korruption", rief Farmajo seinen jubelnden Anhängern am Wahlabend zu. Vor allem in diesem Kampf muss sich der frühere Premier jetzt schnell beweisen -  umso mehr, als er 2010 selbst mit Auftragsvergaben am Parlament vorbei in die Kritik geriet. 

Wenn es Farmajo darüber hinaus gelingt, den in Mogadischu dominanten Hawiye-Clan aktiv in seine neue Regierung und die Nachbarn Äthiopien und Kenia in eine konstruktive Regionalpolitik einzubinden, ist eine wichtige Etappe auf der vielfach beschworenen "Roadmap Somalia" absolviert.

Der Spitzname "Farmajo" leitet sich übrigens aus der Kolonialsprache Italienisch und deren Wort „formaggio" ab. Wenn der somalische "Käse" unter dem neuen Mann etwas weniger Löcher hätte als zuvor, wären die leidgeprüften Somalis schon glücklich. Und den erratischen Donald Trump kann der der 55-jährige Besitzer eines amerikanischen Passes unter Umständen für eine preiswertere, dafür effektivere Politik in Somalia gewinnen. Seine Magisterarbeit trägt den Titel:"Strategische Interessen der USA in Somalia vom Kalten Krieg bis zum Krieg gegen den Terror".

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