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Politik

Finnland als Test für Europa

15. April 2019

Ganz knapp haben die Sozialdemokraten bei der Parlamentswahl in Finnland die Rechtspopulisten geschlagen. Das Wahlergebnis zeigt dennoch einen Besorgnis erregenden Trend für die Europawahl im Mai, meint Bernd Riegert.

Finnland Helsinki Parlamentswahl Jussi Halla-aho
Er hat gut lachen: Rechtspopulist Jussi Halla-aho liegt nur ganz knapp hinter der stärksten ParteiBild: Reuters/Lehtikuva/J. Nukar

Oberflächlich betrachtet könnten sich die in Europa sonst so schwer gebeutelten Sozialdemokraten freuen, dass endlich einmal wieder eine ihrer Parteien eine Wahl gewonnen hat. In Finnland werden die Sozialdemokraten im neuen Parlament tatsächlich die stärkste Partei sein, aber mit ihren knapp 18 Prozent bekommen sie nur 40 der 200 Mandate, sind also von einer Mehrheit weit entfernt. Immerhin werden sie wohl eine Koalitionsregierung anführen und ein Sozialdemokrat könnte der nächste Ministerpräsident in Helsinki werden.

Doch bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Rechtspopulisten, die "Finnen", nur 0,2 Prozentpunkte hinter den Sozialdemokraten gelandet sind und auf 39 Mandate im Parlament kommen. Also doch kein Grund zum Jubeln, erst recht nicht für die eher liberalen etablierten Regierungsparteien, die von den Wählerinnen und Wählern trotz wirtschaftspolitischer Erfolge abgestraft wurden. Die "Finnen" haben sich nach ihrer Spaltung und einer erneuten Radikalisierung vor zwei Jahren aus dem Umfragetief hochgearbeitet.

Das Migrationsthema zieht weiter

Der neue Parteivorsitzende der Rechten, der Philosoph Jussi Halla-aho, ist wegen Volksverhetzung vorbestraft. Er hat es geschafft, die Migration zum emotionalen Wahlkampfthema zu machen. Anfang des Jahres lagen die Finnen noch bei 10 Prozent der Stimmen. Nach einem aktuellen Kriminalfall setzte dann die Diskussion um straffällig gewordene Asylbewerber und Migranten ein. Laut Polizeistatistik liegt der Anteil der Migranten an der Bevölkerung bei knapp drei Prozent, ihr Anteil an den Straftätern in Finnland aber bei 18 Prozent. Der Stimmenanteil der Rechtspopulisten verdoppelte sich fast.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Jussi Halla-aho wendete dabei das gleiche Rezept für den Stimmenfang an wie viele rechtspopulistische Parteien. Die tatsächlich vorhandenen Probleme mit kriminellen Asylsuchenden wurden vielfach überproportional aufgeblasen und verallgemeinert. Plötzlich sind alle Einwanderer potenzielle Sexualverbrecher und die angestammte Bevölkerung wird von einer "Invasion" durch Muslime bedroht. Die realen Zahlen geben das nicht her, aber die Forderung "Finnland - zuerst" lässt sich trotzdem prima aufstellen.

Seit 2015, seit der auch in Finnland spürbaren Migrationswelle, hat die liberale Regierung in Helsinki, wie alle übrigen europäischen Regierungen auch, die Asylgesetzgebung verschärft, Abschiebungen erleichtert und Integrationsprogramme aufgelegt. Die Zahl der Neuankünfte aus außereuropäischen Ländern ist seitdem - wie überall in der EU - drastisch gesunken, trotzdem kann ein Rechtspopulist vom Schlage Hallo-ahos kräftig punkten. Auch das leider kein Phänomen, das auf Finnland beschränkt wäre.

Beim Wahlkampf in Finnland spielte dann auch keine Rolle, dass die meisten Zuwanderer in den letzten Jahren aus Russland und der Ukraine und nicht etwa aus der islamischen Welt kamen.

Etablierte haben es in Europas Wahl schwer

Die finnische Parlamentswahl liegt also sechs Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im europäischen Trend: Die eher gemäßigten Regierungsparteien scheitern. Die Opposition gewinnt. Die Rechtspopulisten gewinnen dabei überdurchschnittlich.

Offensichtlich sind die Menschen unzufrieden mit ihren Regierungen und wollen Veränderung, auch wenn ihre Gefühl der Verunsicherung nicht immer durch Fakten zu untermauern ist. Auch in Deutschland oder Frankreich werden die Rechtspopulisten bei den Europawahlen wohl gut abschneiden und die Regierungsparteien verlieren. In Italien schickt sich die rechtspopulistische Regierungspartei Lega an, einen großen Stimmenzuwachs einzufahren. In Polen, Ungarn und Österreich, wo bereits rechte Populisten regieren, bleiben diese Kräfte in den Umfragen für die Europawahl stark.

Der nächste Test für die Stimmung in Europa steht in 13 Tagen an. Dann wählt Spanien. Dort liegen die Sozialdemokraten in Führung. Ob es jedoch für sie zu einer Regierungsbildung reicht, ist fraglich. Auch in Spanien legt mit "Vox" eine rechtspopulistische Partei zu. Sie gründet ihren Wahlkampf auf das Migrationsthema. Die Linkspopulisten, die gegen die europäische Austeritätspolitik zu Felde zogen, verlieren. Vermutlich werden auch in Spanien die Sozialdemokraten stärkste Kraft - wie in Finnland. Aber auch in Spanien brodelt es unter der Oberfläche - wie in Finnland.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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