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Christen helfen Flüchtlingen

8. September 2015

Flüchtlinge gefährden das christliche Erbe Europas: Den Satz hört man nicht nur aus Warschau oder Budapest. Doch gerade die Offenheit für Flüchtlinge ist christlich, meint Christoph Strack.

Bild: Reuters/Scanpix/B. Lindhardt

Es gibt wenige politische Themen, bei denen die Basis und die Repräsentanten der katholischen Kirche - in Rom und in Deutschland - sich so mahnend und einmütig zu Wort melden. Das Engagement für Flüchtlinge kann eine Kirche herausfordern, die sich schleichend vom bürgerlichen Idyll der Volkskirche verabschiedet oder auch verabschiedet hat. Es muss sie auch herausfordern. Aber klar ist eins: Die Offenheit für Flüchtlinge ist christlich. Unbedingt.

Bei der aktuellen Debatte um Flüchtlinge bringt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, das gegenüber der Deutschen Welle genau auf den Punkt: "Wenn wir nicht helfen würden, wenn wir Europa mit einer Mauer umgeben und weiter zulassen, dass an unseren Grenzen Menschen ertrinken und ersticken, dann ist die christliche Existenz Europas wirklich gefährdet." Marx sieht die christliche Identität Europas bei diesem Punkt gefährdet. "Wir bekommen ein anderes Europa, wenn wir ihnen nicht helfen."

Christoph StrackBild: DW

Begegnungen im Flüchtlingszug

Marx wollte sich nicht allzu deutlich äußern zu Berichten über einen ungarischen Bischof, der die Flüchtlinge als muslimische "Invasion" und als Bedrohung der christlichen Werte bezeichnet haben soll, und dem Papst wegen dessen Appell zur Aufnahme von Flüchtlingen Ahnungslosigkeit unterstellte. Dazu nur eine ganz persönlicher Eindruck: Am Wochenende fuhr ich die letzten zwei Stunden im Flüchtlingszug aus Budapest gen München. Nicht journalistisch eigentlich, der Zufall des Fahrplans hatte mich als Bergwanderer in den Zug gebracht. Die ersten beiden Familienväter, die mir da, gesundheitlich angeschlagen, ihre Flucht über das Meer und durch Ungarn schilderten, waren orthodoxe Christen aus der Gegend um Kobane. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hielt sich auch mit konkreten Mahnungen an Bischöfe in anderen Ländern, auch in Mittel- und Osteuropa, zurück. So wie die Europäische Union ein mehr oder weniger fragiles Gebilde ist, zusammengehalten durch viele finanzielle Aspekte und eine zu runden Gedenktagen beschworene Tradition, so vereinen auch die Gremien der katholischen Kirche in Europa ganz unterschiedliche Traditionen.

Hilfe ist "Grundprinzip christlichen Lebens"

03:43

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Gläubige vor Ort zur Hilfe ermuntern

Am Sonntag äußerte der Papst den deutlichen Wunsch, jede Gemeinde, jedes Kloster in Europa möge eine Familie aufnehmen. Wohlgemerkt nicht der Pfarrer, sondern die Kirche als Ganzes. Kluge Köpfe rechneten rasch aus, dass damit wohl 500.000 Menschen schon mal geholfen wäre. Und Deutschland, die katholische Kirche in Deutschland, braucht sich da nicht zu verstecken. Allein in München wohnen um die 1.000 Flüchtlinge in kirchlichen Räumen, in anderen Regionen werden leere Schulen umgerüstet oder Klosterräume genutzt. Und doch ist die Einbeziehung der Gemeinden noch mal etwas anderes: Denn der Papst, so scheint es, will nicht nur Verbände und Profis, er will eben die Gläubigen vor Ort zur Hilfe ermuntern.

Ob in Budapest, Wien oder Salzburg, ob in München, Leipzig oder Dortmund - in vielen Städten sind Ehrenamtliche der Kirchen im Einsatz. Und Politiker deuten - ob in kleinen Kommunen oder im Bund, ob in West- oder Ostdeutschland - mehr als deutlich an, wie wichtig dieser Beitrag von Christen ist. Zugleich können nicht wenige deutsche Bischöfe davon berichten, dass sie erzürnte Briefe bekommen von Katholiken, denen das Flüchtlingsengagement zu weit geht, die deswegen sogar aus der Kirche austreten. Auch das macht deutlich, dass die Herausforderung der Flüchtlinge die Kirche verändern mag. Aber das #refugeeswelcome gehört zur genetischen Identität der Kirchen. Und zu einem immer noch christlichen Europa.

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