Es ist ein wenig paradox: Die meisten Sparer in Deutschland machen nach wie vor einen weiten Bogen um Aktien. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts (DAI) ist die Zahl der Aktionäre im vergangenen Jahr sogar leicht gesunken. Knapp neun Millionen Menschen besaßen 2016 Aktien oder Anteile an Aktienfonds - etwa 30.000 weniger als ein Jahr zuvor. Nur jeder siebte Bundesbürger steckt damit direkt oder indirekt Geld in Aktien. Und das, obwohl die Kurse an den Börsen derzeit von einem Rekord zum nächsten eilen, während das immer noch beliebte Sparbuch kaum bis gar keine Zinsen bringt.
In Deutschland gibt es kaum eine Aktienkultur. Das liegt unter anderem daran, dass Banken erst Mitte der 90er-Jahre damit begonnen haben, Privatanlegern Aktien zu empfehlen, etwa die Telekom-Aktie. Es folgte eine kurze Phase der Euphorie, bis im Jahr 2000 die Kurse in den Sinkflug übergingen und der sogenannte "Neue Markt" inklusive Telekom-Aktie zusammenbrach.
Viele Deutsche bleiben misstrauisch
Damit schwand auch das Vertrauen der Verbraucher - und letztlich hat sich das bis heute nicht geändert. Gut jeder dritte Deutsche hält das Risiko eines Aktieninvestments für zu hoch. Und knapp 62 Prozent geben an, dass Sicherheit für sie das entscheidende Anlagekriterium ist.
Viele vergebliche Anläufe hat der Dax genommen, bis er endlich die neue Rekordmarke geknackt hat. Doch für viele Beobachter war klar: Die 13.000 sind über kurz oder lang fällig. Das hat viele Gründe. Zum einen liegt es daran, dass ausländische Anleger engagierter sind als die deutschen Aktienmuffel. Vier von fünf Dax-Aktien werden von Ausländern gehalten. Die größte Gruppe sind die Nordamerikaner. Sie halten inzwischen 32,6 Prozent an den Dax-Unternehmen.
Hinzu kommt, dass rund 61 Prozent der Dax-Aktien von so genannten institutionellen Anlegern gehalten werden. Das sind Banken, Versicherungen und Anlagefonds. Und die müssen Renditen erwirtschaften. Die erzielt man aber nicht, indem man für Anleihen des Herrn Schäuble Negativzinsen zahlt.
Es mangelt an Alternativen
Auch andere Anleihen werfen kaum Rendite ab, weil die Europäische Zentralbank alle Anleihen aufkauft, die nicht bei drei auf den Bäumen sind, und weil sich durch die Nullzinspolitik der EZB Länder wie Italien praktisch zinslos refinanzieren können. Mit anderen Worten: Institutionelle Anleger müssen in Aktien investieren - allein schon aus Mangel an echten Alternativen.
Auch andere Umstände machen es sehr wahrscheinlich, dass der Dax in den nächsten Monaten weitere Höchststände erklimmen wird. Forschungsinstitute und Institutionen wie der Internationale Währungsfonds oder der Industriestaaten-Club OECD korrigieren ihre Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft nach oben. Auch der Ölpreis scheint auf lange Zeit kein Störfaktor-Potenzial zu haben, solange es dem Ölkartell OPEC nicht gelingt, das Angebot deutlich zu verknappen. Der niedrige Ölpreis war es zwar, der den Dax lange nicht von der Stelle kommen ließ, weil viele Investoren die geringe Ölnachfrage als Indiz für ein Abflauen der Konjunktur gewertet haben. Aber man kann auch andersherum argumentieren: Niedrige Öl- und Energiepreise bedeuten geringere Kosten für viele Unternehmen, das verbessert die Gewinnmargen und macht die Aktien vieler Unternehmen attraktiver.
Freundliche Großwetterlage
Zudem sind in der politischen Großwetterlage einige Turbulenzen ausgeblieben. Viele Ansagen des US-Präsidenten Donald Trump erweisen sich als haltlose Luftnummern. In Europa setzt sich die konjunkturelle Erholung fort, und positive Quartalszahlen der Unternehmen stimmen viele Analysten zudem positiv.
Dunkle Wolken für den Dax werden vermutlich erst aufziehen, wenn die EZB den Anfang vom Ausstieg aus ihrer ultralockeren Geldpolitik andeuten wird - und das wird wohl frühestens im kommenden Frühjahr der Fall sein. Oder, wenn es ganz schlimm kommt, zum 31. Oktober 2019. Dann endet nämlich die Amtszeit des Herrn Draghi an der Spitze der EZB.
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