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Politik

Folgenlose NSU-Aufklärung

29. Juni 2017

Der Untersuchungsausschuss zur Mordserie der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" hat gute Arbeit geleistet. Jetzt müssen Regierung und Justiz endlich ihre Hausaufgaben erledigen, meint Marcel Fürstenau.

Deutschland NSU Prozess Protest
Kritik an staatlichen Institutionen, wie hier am Rande des NSU-Prozesses in München, gibt es immer wieder Bild: DW/M. Fürstenau

Fünfeinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass sich die mordend durchs Land ziehende Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) selbst enttarnte. Und sich in einem makaberen Video seiner rassistisch motivierten Taten rühmte. Dem ersten Aufschrei des Entsetzens folgten Ermittlungen des Generalbundesanwalts, die in das NSU-Strafverfahren mündeten. Seit gut vier Jahren wird vor dem Münchener Oberlandesgericht verhandelt, ein Urteil noch in diesem Jahr ist wahrscheinlich. Dann wird die individuelle Schuld der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und vier mutmaßlicher Helfer bemessen sein. Zschäpe muss mit einer lebenslangen Haftstrafe rechnen, vielleicht mit anschließender Sicherheitsverwahrung.   

Parallel zum NSU-Prozess leisten Untersuchungsausschüsse im Bundestag und mehreren Bundesländern seit Jahren Aufklärungsarbeit. Ihre Bemühungen sind schon deshalb hilfreich, weil sie jenseits der fest umrissenen Strafprozessordnung ganz andere Fragen stellen können. Dabei geht es weit mehr als im Gerichtssaal um den politischen, behördlichen und gesellschaftlichen Umgang mit dem NSU-Komplex. Das schärft den Blick auf die Terrorgruppe und ihr Umfeld einerseits und staatliche Stellen andererseits. Der Erkenntnisgewinn muss nicht unbedingt größer sein, aber er kann es.

Die "Operation Konfetti" bietet Stoff für Verschwörungstheorien

Der am Donnerstag im Berliner Bundestag abschließend debattierte Bericht des NSU-Untersuchungsausschusses hat gleich in mehrfacher Hinsicht einen Mehrwert erbracht. Hervorzuheben sind die fundierten Erkenntnisse über die teilweise skandalöse Rolle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und das umstrittene Festhalten des Generalbundesanwalts (GBA) an der These von drei NSU-Untertätern. Es ist das Verdienst der Abgeordneten aller vier Fraktionen, CDU/CSU, SPD, Linke, Grüne, das widersprüchliche Handeln sowohl des BfV als auch des GBA herausgearbeitet zu haben. 

DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel Fürstenau berichtet aus Berlin und München über den NSU-Komplex Bild: DW

Manches ist schwer nachvollziehbar, mitunter sogar empörend. Das gilt insbesondere für den Umgang mit der "Operation Konfetti", dem Vernichten von Verfassungsschutz-Akten mit NSU-Bezug. Der verantwortliche Beamte räumte als Zeuge im Untersuchungsausschuss offen ein, das Schreddern vorsätzlich angeordnet zu haben, um Schaden vom Amt abzuwenden. Faktisch erreichte er das Gegenteil. Und natürlich darf sich dann niemand mehr wundern, wenn Verschwörungstheorien über die Verstrickung des Verfassungsschutzes in die NSU-Mordserie Konjunktur haben.

Politik und Justiz könnten mehr Engagement zeigen

Die Chance, wilden Spekulationen den Boden zu entziehen, hat BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen ungenutzt gelassen. Weitergehende Recherchen in seinem Hause unterblieben. Was den Verdacht der absichtlichen Vertuschung erhärtet. Kein Wunder, dass Nebenkläger-Anwälte aus dem NSU-Prozess im Namen von Opfer-Angehörigen Strafanzeige gegen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes stellten. Leider verlief auch dieser Vorstoß im Sande, denn niemand wurde angeklagt. Auch deshalb bleibt die Bilanz des NSU-Untersuchungsausschusses trotz vieler Erkenntnisse und Einblicke unbefriedigend. Verantwortlich dafür sind allerdings jene, die in Politik und Justiz mehr für die Aufklärung tun könnten. 

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