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Politik

Folgt auf den Putsch eine Revolution?

Tobias Simon
Tobias Simon
11. April 2019

Das Militär hat den Wunsch der Straße erfüllt und den Langzeitherrscher Omar al-Baschir abgesetzt. Ob die Sudanesen nun eine Militärherrschaft akzeptieren, ist aber noch nicht abzusehen, meint Tobias Simon.

Das Militär hat die Macht übernommen, doch die Menschen demonstrieren weiter in KhartumBild: Getty Images/AFP

Nach 30 Jahren an der Staatsspitze wurde Omar al-Baschir als Präsident gestürzt. Die Sudanesen haben damit wie bereits in früheren Jahrzehnten gezeigt, dass sie sehr wohl noch in der Lage sind, einen unerwünschten Staatspräsidenten friedlich abzusetzen. Die kommenden Tage sind nun äußerst kritisch, denn es müssen wesentliche Fragen geklärt werden.

Omar al-Baschir hat das Land mit eiserner Hand regiert. Aktivisten wurden inhaftiert und gefoltert. In den Grenzregionen zum Südsudan und in Darfur gab es immer wieder militärische Kämpfe. Und Korruption ist ein allgegenwärtiges Charakteristika der sudanesischen Elite. Obwohl sich gewisse Freiheiten seit den 1990er-Jahren verbessert haben, rangiert der Sudan bei Menschenrechten und Entwicklung meist auf einem der untersten Plätze.

Mehr als nur "Brotproteste"

Seit Dezember vergangenen Jahres haben den Sudan die größten Proteste der Präsidentschaft Baschirs erschüttert. Begonnen habe diese in der Stadt Atbara, etwa 300 Kilometer nördlich der Hauptstadt Khartum und einst das Zentrum der sudanesischen Eisenbahnverkehrs und Heimat vieler Arbeiter. Die Proteste haben in kürzester Zeit das ganze Land erfasst. Deswegen kann der Putsch nicht als ein isoliertes Ereignis betrachtet werden, sondern er ist vielmehr das Resultat einer Kette von Entwicklungen: Nach der Sezession des Südens 2011 verlor der Sudan nicht nur einen bedeutenden Teil seines bisherigen Staatsgebietes, sondern auch einen großen Teil seiner Einnahmen durch Erdöl. Das Regime wurde zwar immer wieder kurzfristig durch Finanzspritzen vornehmlich aus den Golfstaaten subventioniert, jedoch waren Inflationsraten bis zu 70 Prozent eher die Normalität als die Ausnahme.

DW-Autor Tobias Simon hat längere Zeit im Sudan gelebtBild: PRAMUDIYA

Die aktuellen Proteste sind häufig als sogenannte Brotproteste abgetan worden, bei denen das Volk gegen die Verteuerung der Brot- und Benzinpreise demonstrierte. Ja, in der Tat waren sie anfangs primär wirtschaftlich bedingt, aber im Kern ging es doch recht schnell auch um Menschen- und Freiheitsrechte. Auch die Semantik des Begriffes "Brotproteste" ist höchst problematisch, denn damit degradiert man das grundsätzliche Ziel der Proteste. Eine Verschärfung trat dann im Februar diesen Jahres ein, als Omar al-Baschir den Notstand ausrief. Er bot zwar an, auf eine erneute Kandidatur bei der Wahl 2020 zu verzichten, jedoch verlangten die Demonstranten seinen sofortigen Rücktritt. Seit Samstag vergangener Woche gab es Sitzblockaden nicht nur vor dem Hauptsitz der Armee, sondern auch vor dem Präsidentenpalast. Das Datum war kein zufälliges, denn der 6. April markiert den Jahrestag der Aprilrevolution von 1985.

Das Militär war im Gegensatz zum Sicherheitsapparat schon immer volksnah. Nicht nur bei der Oktoberrevolution von 1964 und der Aprilrevolution 1985 spielte es eine entscheidende Rolle, sondern auch bei den jetzigen Protesten. Es öffnete nicht nur seine Tore für die Demonstranten, sondern es schützte diese aktiv vor Übergriffen des Sicherheitsapparats. Der Grund hierfür liegt nahe: Die Armee ist einer der größten Arbeitgeber im Sudan und somit gibt es kaum eine sudanesische Großfamilie, die kein Familienmitglied bei Streitkräften hat.

Die Proteste gehen weiter

Die Zeit unmittelbar nach dem Putsch ist nun entscheidend dafür, in welche Richtung das Land gehen wird. Durch die Absetzung und Inhaftierung Baschirs durch Militär ist zwar ein zentrales Ziel der Demonstranten erreicht, doch ist es unwahrscheinlich, dass nun auch alle anderen Forderungen erfüllt werden. Bereits die Ankündigung des Verteidigungsministers, bis zu Neuwahlen in zwei Jahren einen Übergangsrat des Militärs einzusetzen, stößt auf den Straßen auf Gegenwehr. Bis auf weiteres bleibt die Entwicklung des Landes deswegen völlig offen. Demokratische Öffnung und Teilhabe wären indes mehr als nur den Sudanesen zu wünschen.

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