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Politik

François Fillon - ein zweifelhafter Saubermann

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
26. Januar 2017

Mit den üppigen Honoraren an seine Frau hat François Fillon zwar kein Recht gebrochen. Aber er bestätigt die Vorurteile vieler Franzosen über die politische Klasse, meint Kersten Knipp. Für das Land ist das dramatisch.

Bild: Getty Images/AFP/P. Desmazes

So, wie er sich präsentierte, hätte er das Rennen um das Präsidentenamt machen können: ein glaubensstrenger Katholik, ein Mann von Recht und Ordnung mit Sinn für solide Finanzen. François Fillon, Präsidentschaftskandidat der konservativen Republikaner, inszenierte sich als politische Gegenkraft zum derzeitigen Präsidenten, dem Sozialisten Hollande. Der hatte zu Beginn seiner Amtszeit vor knapp fünf Jahren erklärt, er wolle sich an den Erfolgen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit messen lassen. Doch daraus wurde nichts: Die Zahlen verbesserten sich nicht nur nicht, sondern lagen zuletzt sogar leicht über dem Wert zu Beginn seiner Amtszeit.

Viele Franzosen verärgerte Hollande auch, weil er Fragen etwa Gender- und Queer-Politik, der Einwandererrechte oder der Zukunft der nationalen Identität einen in ihren Augen viel zu hohen Stellenwert einräumte. Zu hoch vor allem deswegen, weil sich diesseits der akademischen Diskurse die Lebensumstände vieler Franzosen dramatisch verschlechtern. Immer mehr Bürgern wachsen ihre finanziellen Probleme über den Kopf, immer stärker spaltet sich die Gesellschaft in Reiche und Arme, in Menschen mit besten und solche mit sehr bescheidenen Chancen. "Die Arbeiter zu verlieren, ist nicht weiter schlimm" - dieses Diktum Hollandes aus dem Jahr 2012 über die Wähler seiner Person und seiner Partei stand für viele Franzosen auch für die völlige Abgehobenheit der Sozialisten, ja geradezu deren Verrat an ihrer Stammklientel.

DW-Autor Kersten Knipp

Katholisch und erdverbunden

François Fillon verstand es, sich als der zu präsentieren, der all diese Probleme lösen würde. Er gab sich als straffer Sanierer, der die finanzielle Schieflage der Republik wieder ins Gleichgewicht bringen würde. Zudem stand der überzeugte Katholik, der immer wieder auch seinen Verbundenheit mit dem ländlichen Frankreich betonte, für einen zivilisierten Patriotismus, der sich von dem bissigen Nationalismus des Front National zwar deutlich unterschied, aber doch hinreichend starke Signale aussandte, um auch die Instinkte der konservativen Wähler anzusprechen. In all dem schien er das Gegenbild jener abgehobenen Klasse zu sein, die sich aus Sicht vieler Franzosen viel mehr für den politisch korrekten Diskurs als die raue Wirklichkeit im Lande interessierten.

Mit diesem Image könnte nun Schluss sein. Wenn er nicht binnen kürzester Zeit überzeugende Gegenbeweise auf den Tisch legt, riskiert Fillon, in den Augen der Franzosen zu einem ganz besonders zynischen Vertreter einer aus der Sicht Vieler ohnehin zynischen Klasse zu werden. Er, der eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich forderte; der, um den Haushalt zu entlasten, die Zahl der öffentlichen Angestellten um 500.000 senken wollte: Dieser Mann könnte sich als jemand erweisen, der sich und seiner Familie auf moralisch sehr fragwürdige Weise öffentliche Gelder zuschanzte.

Steilvorlage für den Front National

Als Parlamentsassistentin verdiente seine Frau das Dreifache dessen, was Mitarbeiter in dieser Position im Durchschnitt verdienen. Das mag zwar legal sein. Legitim und anständig ist es aber kaum, zumal erkennbare Gegenleistungen seiner Frau derzeit alles andere als erwiesen sind. Ebenfalls nicht über allen moralischen Zweifel erhaben ist der Umstand, dass seine Frau bei der Zeitschrift "La Revue des Deux Mondes" - sie befindet sich im Besitz eines mit Fillon befreundeten Milliardärs - in anderthalb Jahren, und bei ebenfalls offenbar sehr überschaubarer Leistung, rund 100.000 Euro verdiente.

Solche Verhaltensweisen vergiften das politische Klima. Sie spielen alle denen zu, die Politiker als Angehörige einer grundsätzlich korrupten Klasse sehen. Der Skandal ist deshalb eine Steilvorlage für den Front National bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen im Frühjahr. Präsentiert Fillon nun nicht umgehend eine schlüssige Gegendarstellung, hätte er nicht nur seiner Partei geschadet, sondern auch und vor allem seinem Land.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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