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Politik

Frankreichs Sozialisten wollen nicht an die Macht

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
30. Januar 2017

Mit großer Mehrheit haben Frankreichs Sozialisten Benoit Hamon zum Präsidentschaftskandidaten gewählt. Das ist ein Linksruck, mit dem sie den Anspruch aufgeben, Regierungspartei zu sein, meint Barbara Wesel.

Hier in den Elysee-Palast wollen Frankreichs Sozialisten offenbar nicht mehr einziehenBild: picture-alliance/dpa

Mit der Wahl von Benoit Hamon liegen Frankreichs Sozialisten international im Trend. Sie haben sich - wie der linke Flügel der Demokraten in den USA mit Bernie Sanders und die Labour Party in Großbritannien mit Jeremy Corbyn - wider die politische Vernunft und für die reine Lehre entschieden. Auch die französischen Sozialisten wollen wieder träumen: von einer politischen Zukunft, die eine radikale Umverteilung und den Abschied von der Marktwirtschaft bringt.

Hamons Ideen kommen zur Unzeit

Der Kampf um die politischen Grundsätze, der in den vergangenen Jahren Frankreichs Sozialisten zerriss und Präsident Hollande das Regieren weitgehend unmöglich machte, ist mit der Wahl von Benoit Hamon entschieden: Die Partei marschiert scharf nach links. Er propagiert zum Beispiel eine Robotersteuer und ein bedingungsloses Grundgehalt für alle. Das kommt der französischen Sehnsucht nach Rundum-Versorgung durch den Staat sehr entgegen. Und im Prinzip ist der Kandidat für eine spätere Zukunft damit auf dem richtigen Weg - nur kommen seine Ideen zehn bis fünfzehn Jahre zu früh.

Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Die nach wie vor wenig wettbewerbsstarke französische Wirtschaft ist nämlich längst noch nicht so automatisiert, dass diese radikale Art der Umverteilung finanzierbar wäre. Sie leidet weiter unter Strukturschwächen, verlässt sich zu stark auf einige Großindustrien, würgt nach wie vor das Entstehen von mittelständischen innovativen Unternehmen durch Überregulierung ab. Der Arbeitsmarkt ist nach fünf Jahren sozialistischer Herrschaft so verkrustet wie eh und je.

Die Sozialisten in Frankreich haben als Regierungspartei nicht geschafft, was die deutschen Sozialdemokraten geleistet haben: Sie haben den überschießenden Sozialstaat nicht in funktionierende Bahnen lenken und die Bürger von der Vernunft dieses Weges überzeugen können.

Abschied von der Regierungsverantwortung

Mit der Entscheidung für den Linksruck verabschieden sich Frankreichs Sozialisten von ihrer Geschichte als Regierungspartei. Es ist das Ende der alten dualen Parteienlandschaft, in der Konservative und Sozialisten im Wechsel an die Macht kamen. Die Umfragen sehen Benoit Hamon bei der Präsidentenwahl im Frühjahr bei unter zehn Prozent. Seine Partei will aber lieber eine Schärfung ihres politischen Profils nach Links als den Anspruch auf die Übernahme der nächsten Regierung auch nur theoretisch aufrecht zu erhalten. Sie tritt willentlich den Gang in die politische Wüste an, in der vagen Hoffnung auf eine Erneuerung ihrer Ideale in der Zukunft.

Dabei müsste ein Blick nach Großbritannien auf den desolaten Zustand der Labour Partei, deren Wahlchancen auf einen Allzeit-Tiefstand gefallen sind, sie von diesem Weg abschrecken. Aber selbst dass die deutschen Sozialdemokraten einen anderen Weg gehen, und mit Martin Schulz erneut einen Mann der Mitte ausgewählt haben, hat die französischen Parteistrategen offenbar nicht beeindruckt.

Freie Bahn für Emmanuel Macron?

Die Konstellation vor den Wahlen in Frankreich hat sich mit der Wahl von Benoit Hamon grundlegend verändert. Dabei spielt auch die neuerdings schwache Situation des Kandidaten der Konservativen, François Fillon, eine Rolle, der seit dem Skandal um die Beschäftigung seiner Ehefrau Penelope um sein Bild als politischer Saubermann kämpfen muss. In den Umfragen schiebt sich immer mehr der Unabhängige Emmanuel Macron nach vorn, der mit einem Europa- und wirtschaftsfreundlichen Reformkurs sogar Chancen haben könnte, Marine Le Pen in der ersten Wahlrunde zu schlagen.

Viele Kommentatoren in Frankreich erwarten, dass sich jetzt prominente Sozialisten hinter Macron stellen, weil sie den Linksrutsch an der Parteibasis für falsch halten. Drei Monate vor den Wahlen scheint die Entscheidung weit offen. Aber 80 Tage sind eine lange Zeit in der Politik, wie der rasante Aufstieg und ebenso schnelle Fall von François Fillon zeigt. Bis zur ersten Wahlrunde Ende April kann noch viel passieren. Das Rennen ist spannend, das Ergebnis nicht vorhersehbar. Von Wetten wird eher abgeraten.

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