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Franziskus übersetzt "Barmherzigkeit" ins Kirchenrecht

11. September 2015

Konservative grummeln - und das nicht mehr nur leise. Denn der Papst setzt schon vor der mit Spannung erwarteten Bischofssynode deutliche Signale beim Thema Ehe und Familie, meint Christoph Strack.

Bild: Reuters/G. Sposito

Revolution in der Kirche? Der Papst aus Argentinien hat das kirchliche Verfahren vereinfacht, um katholisch geschlossene Ehen zu annullieren. Viele sprechen schon von einer katholischen Scheidung.

Aber warum wundern sich nun so viele? Franziskus ist der Papst, der die Nähe zu den Menschen sucht. Den Apostolischen Palast hoch über dem Petersplatz verweigerte er als Domizil. Er blüht auf, wenn er Menschen am Rande der Gesellschaft nahe kommt - Flüchtlingen, Gefangenen, Kranken, Alten.

Franziskus sucht Nähe zu den Menschen

All das liegt ganz auf der Linie des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio. Auch als Erzbischof von Buenos Aires suchte er die Nähe zu den Menschen, fuhr U-Bahn statt Limousine, ging zur jährlichen Fußwaschung in der Karwoche ins Gefängnis. Und er kannte die Seelennöte seiner Schäfchen. Der Erzbischof hörte auch regelmäßig die Beichte. Da macht ein Priester gewiss andere Erfahrungen als jene Geistlichen, die über viele Jahre im Zentrum der Weltkirche auf kirchliches Recht und überkommene Ordnung achten.

DW-Redakteur Christoph StrackBild: DW

Nun sucht dieser Papst, den man gewiss als fromm und auch als konservativ bezeichnen kann, nach einer Möglichkeit, Menschen einen weiteren Weg des Lebens in Glaube und Kirche zu bieten. Die entsprechenden Verfahren zur Annullierung einer gescheiterten Ehe sollen zügiger laufen und weniger aufwendig sein. In Deutschland kann so etwas, verbunden mit mehreren Instanzen, heute zwei oder auch mal drei Jahre dauern. Ein Aufwand, weil man kirchlich feststellen möchte, ob eine Ehe je als kirchlich gültige Ehe zu gelten hatte. Es bleibt auch künftig eine Ausnahme. Manche sagen: eine Hintertür.

"Barmherzigkeit": Dieser Begriff prägt immer mehr das im März 2013 begonnene Pontifikat von Franziskus. Er ruft ein Heiliges Jahr aus, das am 8. Dezember beginnt - unter dem Stichwort "Jubiläum der Barmherzigkeit". Im Juli 2016 reist er zum Weltjugendtag nach Krakau, eine Mega-Veranstaltung unter dem Oberbegriff Barmherzigkeit. "Es erbarmt ihn", heißt es gelegentlich im Neuen Testament von Jesus. Franziskus erinnert daran, dass die Kirche nicht nur für strenges Recht steht, sondern genau für diese Barmherzigkeit.

Putschgerüchte im Vatikan

Damit gibt er zum zweiten Mal binnen weniger Tage ein deutliches Signal. Zuvor sorgte er bei der Frage, wie Abtreibungen bei der kirchlichen Beichte einzuordnen sind, für Neuerungen. Nicht alles, was seine Vorgänger an rechtlicher Klarheit und strenger Dogmatik festgelegt haben, bleibt in Stein gemeißelt. Aber bei beiden Punkten weicht er keinen Deut vom Kern der Lehre ab: Eine katholisch geschlossene Ehe gilt als Sakrament und bleibt grundsätzlich unauflöslich.

Und Franziskus gibt auch Hinweise für die Synode rund um Sexualmoral und Familienpastoral. Eher begrenzte Schritte - wie beispielsweise die zügigere Abwicklung von Verfahren zur Eheannullierung - kann ein Papst selbst veranlassen. Dazu braucht er keine Synode. Konservative können das nun nicht mehr zur Verhandlungsmasse in der Synodenaula machen.

Von Putschgerüchten im Vatikan ist mittlerweile dunkel - und gewiss nicht ganz passend - die Rede. "Ist der Papst noch katholisch?" titelt das amerikanische Magazin "Newsweek". Klar ist: Strukturkonservative Kreise im Kurienapparat gehen auf Distanz. Aber wartet man nicht genau darauf nach all den vielen dunklen Jahren in Rom: dass ein Papst, dass dieser Papst für Wirbel sorgt? Eine Revolution wird es gewiss nicht werden.

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