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Politik

Kommentar: Friedensangebot mit Haken

Kommentarbild Ludger Schadomsky
Ludger Schadomsky
7. Juni 2018

Äthiopiens neuer Premier Abiy Ahmed will ein lange ausgehandeltes Friedensabkommen mit Eritrea anerkennen. Nach 20 Jahren Feindschaft eine gute Nachricht. Zum Jubeln ist es aber noch zu früh, meint Ludger Schadomsky.

Bild: picture-alliance/dpa/S. Forrest

Langsam wird den Äthiopiern schwindlig angesichts des Tempos ihres neuen Ministerpräsidenten Abiy Ahmed: Gerade zwei Monate im Amt, legt der 41-Jährige einen Reformeifer an den Tag, der Äthiopiens verkrustete Politlandschaft gehörig aufwirbelt. Tausende politische Gefangene sind wieder auf freiem Fuß, es gibt Versöhnungsgespräche mit der Opposition, und der Ausnahmezustand wurde vorzeitig aufgehoben. Nun also will Äthiopien nach Jahren der politischen Eiszeit den Spruch des Internationalen Schiedsgerichtshofes in Den Haag von 2002 anerkennen - das Gericht hatte seinerzeit den Grenzverlauf zugunsten des Erzrivalen bestätigt. Was, fragen sich Äthiopier verwundert, kommt wohl als nächstes? Eine friedliche Einigung mit dem Nachbarn Ägypten über die Nutzung des Nilwassers wohl gar?

Äthiopiens neuer Premier Abiy Ahmed bei einer Rede im Parlament von Addis AbebaBild: Reuters/T. Negeri

Dabei hatte der neue starke Mann ja bereits in seiner Antrittsrede eine Friedensinitiative mit dem kleinen Nachbarn Eritrea angekündigt - dass es nun gar so schnell geht, verblüfft dennoch.

Das überraschende Zugeständnis Äthiopiens ist nominell zunächst ein politischer Sieg Eritreas über den Erzrivalen jenseits der umstrittenen Grenze. Die von der Schiedskommission Eritrea zugeschlagenen Gebiete, u.a. die umkämpfte Grenzstadt Badme, müssen nun von Äthiopien geräumt und an Eritrea übergeben werden. Soweit so ambitioniert. 

Akzeptiert Eritrea den Olivenzweig?

Doch die gute Nachricht hat einen Haken. Denn Eritreas Regime dürfte die politische Kehrtwende Äthiopiens gar nicht gefallen. Seit dem Schiedsspruch beruft sich die autoritäre Regierung von Isaias Afwerki auf den sogenannten "No peace no war"-Status. Der latente Kriegszustand mit Äthiopien erlaubte es der Regierung in Asmara,jenen Repressions- und Spitzelapparat aufrechtzuerhalten, der Hunderttausende junger Menschen zu Bootsflüchtlingen gemacht hat.

Mit der Sonnenscheinpolitik im Nachbarland verliert die Zwangsmilitarisierung Eritreas, die seit zwei Jahrzehnten den Alltag jeder Bürgerin und jedes Bürgers bestimmt, ihre Daseinsberechtigung - und Staatschef Afwerki möglicherweise seine Legitimität.

Ludger Schadomsky, Leiter DW Amharisch

Viel wird nun davon abhängen, wie Eritrea auf die ausgetreckte Hand der Äthiopier reagiert. Bislang steht eine offizielle Reaktion weiter aus. Afwerki lehnte Berichten zufolge jüngst eine diplomatische Vermittlungsinitiative der Saudis noch ab.

Ein um sein politisches Überleben kämpfender Präsident in Eritrea könnte die Hoffnung, das seit Jahrzehnten unruhige Horn von Afrika zu befrieden, zunichte machen. Mit seiner strategischen Lage am Roten Meer ist das kleine Land Schauplatz zahlreicher regionaler Stellvertreter-Konflikte. Dieses Pulverfass kann jederzeit explodieren. Zumal, wenn der Druck der Straße nun wächst - Eritreas Jugend fordert Mitsprache, Jobs und überfällige politische Reformen. 

In Äthiopien wird die Geste des neuen jungen Ministerpräsidenten verhalten bis ablehnend aufgenommen. In den Sozialen Netzwerken wird teilweise sogar von einem "Ausverkauf Äthiopiens" gesprochen. Und Premier Abiy Ahmed, ein Oromo, hat nach wie vor mächtige Gegenspieler, vor allem im Sicherheits- und Militärapparat. Sie warten nur auf einen Fehltritt des Neuen.

Zum Jubeln ist es daher sowohl in Äthiopien als auch in Eritrea noch viel zu früh.

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