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Politik

Ganz böse - Orban bei der CSU

Steiner Felix Kommentarbild App
Felix Steiner
23. September 2015

Deutschland ist einhellig empört: Wie kann die bayerische CSU nur Viktor Orban empfangen? Den Mann, der so brutal gegen Flüchtlinge vorgeht! Felix Steiner empfiehlt jedoch, etwas genauer hinzuschauen.

Bild: Reuters/M. Dalder

Schwarz und weiß sind tolle Farben. Weil sie die Unterscheidung so einfach machen. Deutschlands Medien sind sich einig: Schwarz - gleich böse - ist Viktor Orban. Weil der Zäune an den Grenzen Ungarns bauen lässt. Und er die Flüchtlinge, die in sein Land drängen, als das betrachtet, was sie nach geltenden Regeln der Europäischen Union immer noch sind: illegale Einwanderer nämlich.

Es lebe das eigene Feindbild

Schwarz ist natürlich auch die CSU. Nicht nur, weil das die traditionelle Parteifarbe der Christlich-Konservativen in Deutschland ist, sondern weil die CSU fast immer andere Ziele hat als die, die Deutschlands Journalisten gut finden. Damit ist die CSU natürlich ebenfalls böse. Journalist und zugleich konservativ sein, das ist nämlich eine ganz seltene Kombination in diesem Land. Warum die CSU seit Jahrzehnten Bayern mit absoluter Mehrheit regiert und Bayern das wirtschaftlich erfolgreichste Bundesland ist - das sind Geheimnisse, die ihrer Entschlüsselung durch Deutschlands Journalisten deswegen immer noch harren.

DW-Redakteur Felix SteinerBild: DW/M.Müller

Wenn nun die böse CSU den bösen Viktor Orban zu einer Tagung einlädt, dann ist das natürlich - was wohl? - ganz böse! So böse, dass die Generalsekretärin der SPD sich nicht entblödet, öffentlich davor zu warnen, dass die CSU der Bundeskanzlerin - die außerdem auch die Vorsitzende der CSU-Schwesterpartei CDU ist - in den Rücken falle. Und weil es so unglaublich ist, gleich nochmal: Die Generalsekretärin der SPD verteidigt die Vorsitzende der CDU gegen Angriffe aus der CSU! Was war noch mal das Profil und die Rolle der SPD?

Gegen so etwas Böses muss natürlich demonstriert werden. Grüne, Linke und Sozialdemokraten waren da. Nicht unbedingt pünktlich, morgens um viertel nach neun, als Viktor Orban im Kloster Banz vorfuhr. Aber als Anton Hofreiter, der Fraktionschef der Grünen im Bundestag eine knappe halbe Stunde später auch ankam, durfte er sein Statement der Verachtung gegenüber Orban und der CSU in jedes ihm hingehaltene Mikrofon sprechen.

Viktor Orban steht nicht allein

Dass neben den Transparentträgern und Trillerpfeifern aus dem linken Lager auch mindestens genau so viele Leute da waren, die T-Shirts mit der Aufschrift "Danke Viktor" trugen, das berichtet kaum ein deutsches Medium. Dabei passte das doch genau zu der Umfrage, die die CSU zu ihrer Klausurtagung vorstellte: Zwei Drittel der Bayern befürworten Maßnahmen, die den Zustrom von Flüchtlingen begrenzen. Und 51 Prozent der Bürger machen sich große Sorgen über die Entwicklungen der vergangenen Wochen und erwarten, dass die Politik auf genau diese Sorgen eingeht.

Natürlich präsentierten weder Viktor Orban noch die CSU im Kloster Banz ein schlüssiges Konzept, wie man die Zuwanderung nach Europa begrenzen könnte. Hilfen für die Menschen in den Lagern in Jordanien, der Türkei oder dem Libanon, Anlaufstellen für Flüchtlinge an den Außengrenzen der EU - all das wird seit langem in Brüssel diskutiert, ohne dass es bisher zu einem greifbaren Ergebnis geführt hätte.

Orban und die CSU eint der Wunsch, selbst zu entscheiden, wen sie aufnehmen und wem sie Hilfe gewähren. Das klingt banal und selbstverständlich, ist aber angesichts der Vielzahl der Menschen, die seit Wochen über den Balkan nach Mitteleuropa strömen, nicht mehr umzusetzen. Und Orban wie die CSU teilen die Ansicht, dass die Signale, die die Bundesregierung und insbesondere Kanzlerin Angela Merkel aussenden, die Zahl der sich auf den Weg machenden Menschen noch weiter ansteigen lassen wird. Orban nennt diese Politik Deutschlands "moralischen Imperialismus" - anderen vorschreiben, was menschlich geboten und deswegen gut und richtig ist. Und CSU-Chef Horst Seehofer lächelt, wenn Orban so etwas sagt.

Der Unterschied zwischen Reden und Handeln

Normalerweise zucken deutsche Medien ja schreckhaft zusammen, wenn Ausländer uns vorwerfen, wir seien imperialistisch. Im Falle Viktor Orbans und der CSU ist die Reaktion dagegen abgeklärt und selbstsicher - so wie einst, wenn die DDR oder andere kommunistische Staaten uns imperialistisches Gehabe vorwarfen. Dabei sollten sich all die, die sowohl Orban als auch die CSU ganz unmöglich finden, zwei Dinge vor Augen halten:

Erstens: Ungarn hat bis heute pro Kopf der Bevölkerung bereits deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen als Deutschland. Und zweitens: Bayern ist das deutsche Bundesland, das den Andrang von Flüchtlingen - gut unterstützt einzig und allein von Nordrhein-Westfalen - in erster Linie bewältigen muss. Weil hier die Menschen von der Balkan-Route ankommen. Und dank einer hervorragend funktionierenden Verwaltung und extrem hilfsbereiten Bürgern funktioniert das bisher auch sehr gut. Dagegen haben andere große Länder, wie beispielsweise das grün regierte Baden-Württemberg, schon nach wenigen Tagen die Übernahme weiterer Flüchtlinge aus München verweigert. Was man daraus lernt? Zwischen Statements von Politikern und dem, was in ihrem Zuständigkeitsbereich passiert, liegen zuweilen himmelweite Unterschiede. Im Positiven wie im Negativen.

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