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Gebremste Aufklärung

6. November 2015

Sonderermittler Graulich hinterließ im NSA-Untersuchungsausschuss mehr Fragen als Antworten. Offen bleibt: Wie abhängig ist Deutschland von US-Informationen, und was gibt es dafür auf, fragt Matthias von Hein.

Die zentrale Abhöranlage des Bundesnachrichtendienstes im bayrischen Bad AiblingBild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel

Das Theater um die Aufklärung der US-Spähaktivitäten gegen Deutschland ist seit gestern um einen besonders absurden Akt reicher. Was ein Höhepunkt in der Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses hätte werden können, markiert stattdessen einen traurigen Tiefpunkt: Der Auftritt des Sonderermittlers Kurt Graulich nach seiner Durchsicht der knapp 40.000 Einträge umfassenden Liste mit Suchbegriffen des amerikanischen Geheimdienstes NSA. Er hinterließ den Eindruck: Anstatt die Aufklärer bei der Aufklärung zu unterstützen, werden die Ausspäher vor Aufklärung geschützt. Wie anders soll man es bewerten, wenn etwa als Argument zur Verweigerung der Herausgabe der so genannten Selektorenliste ausgerechnet der Schutz des Urheberrechtes der NSA an dieser Liste herangezogen wird? Oder wenn Graulich Überwachungskritiker ins Lächerliche zu ziehen versucht, indem er sie als "Leute mit sehr starkem Grundrechtsempfinden" bezeichnet.

Ein Zufallsfund

Zur Einordnung: Seit eineinhalb Jahren müht sich der NSA-Untersuchungsausschuss, den Umfang der massenhaften elektronischen Ausspähung auch Deutschlands durch amerikanische und britische Geheimdienste aufzuklären. Eher zufällig waren die Parlamentarier dabei dem Umstand auf die Spur gekommen, dass der deutsche Bundesnachrichtendienst seinem amerikanischen Partnerdienst bei der Kommunikationsüberwachung sowohl deutscher als auch europäischer Ziele unter die Arme gegriffen hat: Auf amerikanischen Wunsch haben die deutschen Geheimdienstler rund 14 Millionen Suchbegriffe in ihre Kommunikationsüberwachungsanlage im süddeutschen Bad Aibling eingespeist. Rund 40.000 dieser Suchbegriffe wurden vom BND abgelehnt. Allerdings oft erst, nachdem sie über Monate in Gebrauch waren.

Um Einsicht in diese Liste wird erbittert gestritten. Der Untersuchungsausschuss fordert sie. Die Bunderegierung verweigert die Herausgabe - aus Rücksicht auf die USA. Das letzte Wort in dieser Frage wird das Bundesverfassungsgericht haben. Bis dahin gilt der Kompromiss: Die Bundesregierung benennt eine sogenannte "unabhängige sachverständige Vertrauensperson", eben Kurt Graulich. Der hat inzwischen vier Monate lang die Liste eingesehen. Seit dem 30. Oktober liegt sein Bericht vor, jetzt hat er dem Ausschuss Bericht erstattet. Die Frage ist nur: Wie unabhängig war Graulich in seiner Arbeit tatsächlich? Er hat seine Arbeit in den Räumen des BND gemacht. Er hatte einen Stab von BND Mitarbeitern um sich herum. Und er hat in Teilen seines Berichts aus BND-Papieren abgeschrieben. Mal mit, mal ohne Quellenangabe. Geht man zu weit, wenn man ihm da eine Nähe zu den Geheimdienstlern unterstellt?

DW-Redakteur Matthias von Hein

Das deutsche Dilemma

Die Bundesregierung steckt in einem Dilemma: Sie will die USA nicht verärgern. Deren Geheimdienstinformationen hält sie für unverzichtbar. Es ist allerdings offenkundig, dass die NSA ihre gigantischen Ressourcen längst nicht nur in den Kampf gegen den Terror steckt. Ihr Mandat geht sehr viel weiter. Vielleicht reicht es sogar bis hin zur Wirtschaftsspionage. Grundsätzlich gilt in den USA Spionage als legitim. Auch Spionage gegen Partner. Damit wird man sich wohl abfinden müssen.

Nicht abfinden darf man sich aber damit, dass sich der deutsche Geheimdienst zum willigen Werkzeug dieser Spionage gegen deutsche und europäische Ziele machen lässt. So viel Souveränität muss sein, auch gegenüber einem mächtigeren Partner. Und dazu gehört dann eben zwingend die rückhaltlose Aufklärung - zur Not gegen den Willen der USA.

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