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Kommentar: Gelenkter Protest

Peter Philipp7. Februar 2006

Hinter den Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen steckt eiskaltes politisches Kalkül. Radikale Kreise versuchten den "Kampf der Kulturen" künstlich herbeizuführen, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

"Fernsehtauglicher" Protest im IranBild: AP

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Verunglimpfung von Minderheiten ist ebenso verwerflich wie die Herabwürdigung ihrer religiösen Werte und Gefühle. Und ebenso muss die blauäugige Verteidigung solcher Akte, erst recht aber ihre Wiederholung als vermeintliche Verteidigung der Meinungsfreiheit abgelehnt und verurteilt werden. Solch eine Selbstverständlichkeit, die sich bei uns leider noch nicht ausreichend herumgesprochen zu haben scheint, darf allerdings auch nicht das Auge trüben gegenüber dem, was wir seit Tagen in verschiedenen Ländern der muslimischen Welt beobachten.

Niemand wird ernsthaft behaupten wollen und können, dass in Beirut, Damaskus, Somalia, Gaza oder Teheran wirklich nur Frust und Zorn über die dänischen Mohammed-Karikaturen zum Ausdruck kommt. Schon allein deswegen nicht, weil der Protest mit monatelanger Verzögerung einsetzte. Wirkliche Empörung ist spontan und setzt sofort ein. Sonst ist der Protest das Ergebnis politischen Kalküls. Und damit ist er in nichts besser oder moralischer als sein Auslöser.

Verbreitung bewusst und gezielt

Die vier Monate zwischen der Veröffentlichung der umstrittenen Karikaturen und dem Protest dagegen lassen sich auch nicht einfach damit erklären, dass es eben "seine Zeit" dauere, bis so ein Fall in Neu Delhi oder in Jakarta bekannt wird. In den Zeiten des Internet dauert genau das nämlich heute auch in den Ländern der muslimischen Welt nur Minuten. Der Verdacht liegt deswegen nahe, dass die Verbreitung der Karikaturen in diesen Ländern bewusst und gezielt vorgenommen wurde.

Nicht - wie bei ihrer ursprünglichen Veröffentlichung in Dänemark - Dummheit und Unbedarftheit, sondern eiskaltes politisches Kalkül stehen dahinter: Da wollen radikale Kreise ihr Süppchen kochen und die Kluft zwischen Orient und Okzident noch tiefer reißen als sie es ohnehin schon ist. Sie wollen genau das Szenario des von Samuel Huntington beschworenen "Kampfes der Kulturen" herbeiführen, das sie bisher eher erfolglos als Strategie des Westens denunziert hatten.

Bilder mit erwünschter Wirkung


Und die Drahtzieher wissen, dass sie die Massen leicht mobilisieren können. Obwohl man bisher eigentlich kaum von "Massen" sprechen kann, wenn in Millionenstädten einige Hundertschaften randalieren und brandschatzen. Nicht Quantität, sondern Qualität macht den Ausschlag: Verwüstete Botschaftsgebäude und die Verfolgung von Europäern hinterlassen im Westen genau den gewollten Eindruck: Man ist geschockt und gleichzeitig versucht, alle bisherigen Bemühungen um Ausgleich, Dialog und Verständigung in den Mülleimer der Geschichte zu werfen. Nichts wäre schlimmer als das.

Aber da sind nicht nur die bisher anonymen Drahtzieher und Anstifter. Da sind auch die Regime, die nichts dagegen unternehmen: Vielleicht aus Solidarität mit den Randalierern, vielleicht auch nur, um dem Westen zu zeigen, was geschehen würde, wenn tatsächlich Demokratie Einzug hielte in diesen Ländern. Wobei sie natürlich verkennen, dass Demokratie nicht Macht des Pöbels, Ruhe und Ordnung aber auch nicht Diktatur bedeuten. Es sind diese Regime, die erkennen sollten, dass es sich nicht auszahlt, Ausschreitungen dieser Art zuzulassen oder zu unterstützen. Wer Wind sät, wird Sturm ernten.

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