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Politik

Gnadenschuss für das spionierende Pferd!

25. August 2018

Marcel Fürstenau freut sich über die Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz zur digitalen Totalüberwachung. Denn die als "Staatstrojaner" bekannt gewordene Methode ist ein Frontalangriff auf die freie Gesellschaft.

Symbolbild Bundestrojaner freigeschaltet
Bild: picture-alliance/dpa/S. Jansen

Die Zahl der Sicherheitsgesetze ist selbst für Experten nur noch schwer überschaubar. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 ist wohl kein Jahr vergangen, in dem nicht auch in Deutschland ein neues Gesetz beschlossen oder ein bestehendes verschärft wurde. Stichworte sind Vorratsdatenspeicherung, Luftsicherheits- oder BKA-Gesetz. Diese drei und viele andere Maßnahmen waren vielleicht gut gemeint, aber handwerklich Pfusch.

Das ist keine billige Polemik, sondern von der höchsten juristischen Instanz amtlich bestätigt: Vor dem Bundesverfassungsgericht waren alle Klagen - und es gab viele - mehr oder weniger erfolgreich. Kein einziges Gesetz kam ungeschoren davon. Und so wird es hoffentlich auch im Fall der gleich drei Verfassungsbeschwerden gegen den sogenannten "Staatstrojaner" sein. Unter diesem - natürlich inoffiziellen - Label firmiert das Gesetz, mit dem im Verdachtsfall jedes internetfähige Gerät gehackt werden darf.   

Die Gedanken sind frei? Von wegen!

Selbstverständlich müssen Terroristen und alle Formen der Organisierten Kriminalität (OK) entschlossen bekämpft werden. Aber der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Warum nicht?

·   Weil die seit 2017 mögliche Totalüberwachung das Potenzial einer Gedanken-Polizei hat. 

·   Weil auch die raffiniertesten Überwachungsmethoden keine Garantie dafür sind, mutmaßliche Attentäter ausschalten zu können.

·   Weil kein Richter wirklich einschätzen kann, welchen Geist er aus der Flasche lässt, wenn er Online-Überwachungen genehmigt.

·   Weil kein Parlamentarier die Möglichkeit hat, die geheime Ausspähung Verdächtiger seriös zu kontrollieren.

DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Zugespitzt formuliert: Das Gesetz zur Online-Durchsuchung und Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) ist unvereinbar mit dem Prinzip der Gewaltenteilung. Denn die kann nur funktionieren, wenn absolute Transparenz herrscht. Davon kann aber keine Rede sein. Anfragen von Politikern an die Bundesregierung, darunter auch solche der beschwerdeführenden Freidemokraten, wurden nur teilweise oder gar nicht beantwortet.

Ein weiterer Grund, dem staatlichen Agieren beim "Staatstrojaner" zu misstrauen: Die Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit wurde trotz einer entsprechenden Bitte nicht in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden. Da hatten wohl ein paar Leute Angst vor allzu kritischen Nachfragen und unerwünschten Ratschlägen…

Staatliche Ignoranz und Arroganz

Aber nun besteht ja trotzdem die berechtigte Hoffnung auf bessere Zeiten für das "Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme". Ein solches hat das Bundesverfassungsgericht schon 2008 in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung formuliert. Wobei es die Möglichkeit zur heimlichen Ausspähung unter strengen Auflagen für rechtens erklärte.

Damit hätten auch die Beschwerdeführer 2018 kein Problem gehabt. Der Gesetzgeber aber ignorierte die sachdienlichen Hinweise der Richter und weitete die Ermittlungsbefugnisse sogar noch aus. Das zeugt von erstaunlicher Ignoranz und Arroganz. Die staatlich sanktionierte Möglichkeit, alle digitalen Daten bis hin zu ihrer Entstehung abgreifen zu dürfen, hat fraglos totalitäre Züge. Denn mit Hilfe des "Staatstrojaners" können ganz legal Informationen abgefangen werden, bevor sie verschlüsselt werden.

Auch die Pressefreiheit ist bedroht 

Mehr noch: Im Extremfall liest, hört und sieht der unsichtbare Eindringling alles, was die überwachte Person an ihrem Computer, Tablet oder Smartphone gerade tut - und zwar live. Das Missbrauchs- und Gefährdungspotenzial ist riesig und buchstäblich grenzenlos. Kein Wunder, dass auch Leute wie der Doping-Experte Hajo Seppelt und der im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar gegen den "Staatstrojaner" Beschwerde führen. Mögen sie Erfolg haben - der Gnadenschuss für das spionierend Pferd ist dringend geboten!

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