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Politik

Griechenlands zweite Chance

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
20. August 2018

Die Griechen sind von der EU vor der Pleite gerettet worden. Das war hart und manchmal auch ungerecht. Doch es gab keine wirkliche Alternative. Von Dienstag an beginnt nun ein neues Experiment, meint Bernd Riegert.

Der Euro ist geblieben: Griechische Rentner 2015 vor dem Parlament in AthenBild: picture-alliance/R. Geiss

Acht Jahre lang hat die Europäische Union enorme Solidarität bewiesen und gezeigt, dass es möglich ist, gemeinsam erstaunliche Leistungen zu vollbringen. Die Sanierung des Pleitefalls Griechenland ist bei allen Fehlern, die gemacht wurden und bei allen Härten, die die griechische Bevölkerung erfahren musste, ein Erfolg für die Europäische Union und insbesondere für die Staaten der Währungsgemeinschaft Euro.

Als 2010 offensichtlich wurde, dass der griechische Staat durch zu hohe Defizite, magere Produktivität, zu hohe Löhne und überzogenen privaten Konsum vor der Pleite stand, haben sich Europa und der Internationale Währungsfonds entschlossen, den Griechen zu helfen. Das hätten sie nicht gemusst. Die europäischen Verträge schließen einen "bailout", also ein Freikaufen aus den Schulden, ausdrücklich aus. Deshalb einigte man sich, Griechenland zu extrem günstigen Konditionen Geld zu leihen, damit es seinen Verpflichtungen weiter nachkommen konnte, zum Beispiel staatliche Löhne und Renten zu zahlen.

Natürlich hat die Euro-Zone diesen Schritt nicht nur aus Solidarität, sondern auch aus eigenem Interesse getan, um das Übergreifen der Krise auf den Rest der Währungsgemeinschaft zu verhindern. Ja, es wurde auch dafür gesorgt, dass Banken in Deutschland, Frankreich und Spanien nicht pleite gingen und mit Griechenland in den Abgrund gezogen worden wären. Aber: Die Euro-Staaten und der IWF hätten auch anders handeln können, hätten auf die vielen Kassandra-Rufe hören können, die voraussagten, dass eine Rettung Griechenlands niemals gelingen würde.

Große Härte, aber keine Alternative

Ohne harte Auflagen wäre eine finanzielle Sanierung Griechenlands nicht möglich gewesen. Der Staat musste drastisch seine überhöhten Ausgaben zurückführen. Die Bevölkerung hat auf Einkommen verzichtet. Die Wirtschaft schrumpfte. All diese Härten waren unvermeidbar, denn so wie zuvor, mit einem Leben auf Pump, wäre es nicht weitergegangen. In der Rückschau hätte man die Einschnitte allerdings sozial verträglicher gestalten sollen.

Bernd Riegert ist Europa-Korrespondent der DW

Die Auflagen waren auch nötig, um den Staat und die Wirtschaft zu strukturellen Reformen zu zwingen, die Jahrzehnte lang in Griechenland nicht möglich waren. Die vielen Kritiker, die immer wieder behaupten, das Land sei von den Gläubigern kaputt gespart worden, liegen falsch. Ohne die Sanierungsmaßnahmen wäre Griechenland auf keinen grünen Zweig mehr gekommen und sehr schnell ganz kaputt gewesen - also aus der Euro-Zone geflogen, völlig abgekoppelt von irgendwelchen Finanzquellen.

Der linkspopulistische Premier Alexis Tsipras, der sich jetzt als Befreier vom Joch der Troika feiern lässt, hat das ziemlich schnell begriffen. Einige Monate spielte er den linken Rebellen, lehnte sich zusammen mit seinem clownesken Finanzminister Yanis Varoufakis gegen die Geldgeber auf. Er führte das Land 2015 an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Nach dem Blick in den Abgrund machte Tsipras die Kehrtwende und verordnete noch härtere Sparmaßnahmen als je zuvor. Er erhöhte Steuern, drehte aber gleichzeitig Reformen zurück. Im Ganzen schwenkte er auf den Rettungskurs der Euro-Zone ein und verkauft das jetzt als seinen Sieg. Warum ihm die Griechen das abnehmen, bleibt ein Rätsel.

Zweifel am langen Atem Griechenlands

Auf jeden Fall haben die Eskapaden von Tsipras und Varoufakis das Land fast drei Jahre länger unter dem Rettungsschirm und einen Einbruch der Wirtschaftsleistung beschert. Jetzt geht es langsam wieder aufwärts. Das liegt aber nicht an den Ideen der links-rechtsradikalen Regierung in Athen, sondern am überlegten Rettungskurs der Europäer. Vom 21. August an muss sich das Land nun wieder alleine auf den Finanzmärkten behaupten und versuchen, sich Geld zu erträglichen Zinsen zu leihen. Das kann nur gut gehen, wenn auch jede griechische Regierung, die künftig amtieren wird, sich eisern an Haushaltsdisziplin hält und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes verbessert. Die zweite Chance, die Griechenland jetzt hat, ist hart erarbeitet. Sie darf nicht verspielt werden.

Der Rettungs- und Sanierungsplan reicht weit in die Zukunft, bis 2032 und darüber hinaus sind die finanziellen und fiskalischen Zielmarken gesetzt. Die letzten Kredite laufen erst 2060 aus. Der Internationale Währungsfonds bezweifelt, dass Griechenland so lange durchhalten wird. Die EU-Kommission hingegen pflegt sehr optimistische Prognosen.

Gezwungenermaßen solidarisch zeigen sich über den Umweg der Europäischen Zentralbank die Sparer in der Euro-Zone. Die Nullzins-Politik der EZB, die den südlichen Staaten billiges Geld beschert, wird durch eine schleichende Entwertung der Geldvermögen im Norden mitfinanziert. Die muss jetzt langsam zurückgedreht werden.

Die Solidarität der Europäer muss und wird weitergehen. Auch die EU hat aus der Griechenlandkrise gelernt. Inzwischen gibt es einen vertraglich fixierten, mit genügend Kapital ausgestatteten Rettungsfonds. Die Verfahren sind eingespielter. Für die nächste Krise ist man besser gewappnet. Die EU wird liefern, trotz aller Totenglöckchen, die von interessierter Seite geläutet werden. Wenn die Populisten von Polen bis Italien den Ton in der EU bestimmen, dann gute Nacht für Länder wie Griechenland. Mit der Haltung "Mein Land zuerst", werden die Herren Salvini (Italien) oder Strache (Österreich) den klammen Griechen bestimmt nicht noch einmal helfen.

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Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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