1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Höchste Zeit für Merkels Vermächtnis

26. September 2018

Die Niederlage, die ihr die eigene Fraktion beigebracht hat, beschleunigt den Machtverfall der Kanzlerin. Nun muss sie alles auf eine Karte setzen, wenn sie der EU wirklich etwas hinterlassen will, meint Michaela Küfner.

Emmanuel Macron und Angela Merkel erläutern am 19. Juni ihre "Meseberger Erklärung"Bild: Reuters/H. Hanschke

Vor genau einem Jahr, am 26. September 2017, hielt der französische Präsident Emmanuel Macron seine Sorbonne-Rede, in der er seine Vision für die EU der Zukunft darlegte. In Berlin wird diese Rede seither als so etwas wie die "To-do-Liste" der Antworten, die man Europa geben muss, behandelt. Je nach Grad der Macron-Begeisterung teilt sich auch Merkels CDU/CSU-Fraktion auf: Auf der einen Seite die, die sich aufgefordert fühlen, jetzt, mit diesem Präsidenten, den großen Wurf zu wagen. Auf der anderen Seite jene, die hinter Euro-Zonen-Budget, gemeinsamer garantierter Einlagensicherung und der Weiterentwicklung des Europäischen Stabilitätsmechanismus stets vor allem eines vermuten: den Versuch, deutsche Steuergelder EU-weit umzuverteilen, um in anderen Ländern Haushaltslöcher zu stopfen.

Die Kanzlerin an der europapolitischen Leine

Mit der Wahl von Ralph Brinkhaus zum Fraktionschef hat Angela Merkels eigene Partei die Kanzlerin nicht nur politisch angeschossen, sondern sie zudem an eine noch kürzere europapolitische Leine genommen. Brinkhaus ist zwar keinesfalls ein EU-Gegner, doch er steht zu 100 Prozent für das, was Macron als den "deutschen Fetisch" bezeichnet hat: die schwarze Null - am liebsten europaweit. Dass sich hierüber in der EU gewiss nie ein Konsens erzielen lassen wird, stört den Haushaltsexperten Brinkhaus dabei wenig. Auf gewisse Art verkörpert er genau das, was viele europäische Partner als das Lehrmeisterliche an der deutschen Europapolitik empfinden. Aus der Binnenansicht der CDU/CSU-Fraktion gilt er hingegen als frischer Wind.

Michaela Küfner ist Chefkorrespondentin der DWBild: DW/B. Geilert

Zum europäischen Versprechen von "Sicherheit und Wohlstand", das Merkel und Macron als zentrale Botschaft ihrer gemeinsamen Meseberger Erklärung verstanden wissen wollen, gehört neben dem starken Euro auch und vor allem die Demonstration gemeinsamer Handlungsfähigkeit. Damit tut sich die Kanzlerin weiterhin schwer, auch und gerade beim gemeinsamen Euro-Budget. Das gilt es jetzt endlich auszubuchstabieren. Und noch wichtiger: den viel-beschworenen Fliehkräften in Europa neue Akzente entgegenzusetzen. Es zeugt von Merkels am Ende doch begrenztem politischen Handwerkskasten, wenn sie sogar in diesen Ausnahmezeiten im Hinblick auf Europa und ihre Kanzlerschaft weiter die Taktik fährt: nur nicht in die Karten schauen lassen, um dann in letzter Minute irgendein Paket zu schnüren. Die politischen Dynamiken, die sich nun auch in ihrer eigenen Partei gezeigt haben, sind längst zu volatil, um weiterhin nur in den gewohnten Bahnen und Prozessen zu denken.

Letzte Chance für Merkels Vermächtnis

Spätestens mit der Affäre um den Chef des deutschen Inlandsgeheimdienstes Maaßen haben auch die letzten Merkel-Kritiker in Brüssel begriffen, dass Merkelsches Abwarten nun auch die beste Taktik für sie selbst sein könnte: die Ära Merkel ganz einfach aussitzen. Und auch Merkel selbst sollte nun merken, dass sie ihr über 13 Jahre angehäuftes politisches Kapital jetzt schnell zur Geltung bringen muss, bevor die nächste Krise aus nichtigem Anlass ihren Einfluss noch weiter reduziert. Gewichtige Stimmen sehen den Schlüssel zu Europas Stabilität weiterhin in Berlin. Wenn Angela Merkel es ernst meint mit ihrem Ziel, am Ende ihrer Amtszeit eine stabile und zukunftsfähige EU zu hinterlassen, dann muss sie jetzt schnell aus der Deckung kommen. Dann muss sie ihr gesamtes Kapital und den ihr verbliebenen Einfluss auf die eine visionäre Europakarte setzen. Was eigentlich so ganz gegen ihre Art ist.

Gleichzeitig steht Macron zu Hause nun selbst unter Druck und so drängt sich der Verdacht auf, dass die historische Chance, den großen deutsch-französischen Wurf für Europa da Europa von morgen zu wagen, bereits vertan sein könnte. Denn vor allem Angela Merkel laufen Zeit und Macht davon.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen