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Handball ist nicht der bessere Fußball

Joscha Weber Bonn 9577
Joscha Weber
26. Januar 2019

Zwei Wochen lang diskutierte die Sport-Nation Deutschland in der Euphorie der WM: Ist Handball der bessere Fußball? Die Frage führt zu nichts, meint Joscha Weber. Der Sport braucht etwas anderes.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Wolf

Und wieder bleibt es beim "fast". Fast hätte Deutschland bei einer Heim-WM um den Titel gespielt, doch im Halbfinale endet der Traum. Wie bei der Fußball-WM 2006 scheitern auch die Handballer 2019 im vorletzten Spiel. Und wie damals - wenn auch eine ganze Nummer kleiner - entfacht die Mannschaft eine Euphorie im Land. "Sie haben uns in all den Spielen verzückt", frohlockte sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Höhenflug der deutschen Handballer. Bis zum bitteren Ende gegen Norwegen. Was also bleibt von diesem deutschen Handballmärchen ohne Happy End? Vor allem sind es drei Erkenntnisse.

Die mitreißende Kraft des Handballs

Erstens: Handball hat eine mitreißende Kraft, die lange unterschätzt wurde. Und das selbst in der Handball-Nation Deutschland, in der das schnelle Spiel mit dem kleinen Ball seit Jahrzehnten in Regionen wie Schleswig-Holstein, Ostwestfalen-Lippe, Württemberg, Nord- und Mittelhessen oder im Bergischen Land eine feste, aber eben regionale Größe ist. In wohl kaum einer Sportart steht die komplette Arena bereits in der zweiten Spielminute und klatscht. Bei der Handball-WM in Dänemark und Deutschland war dies bei Spielen der Gastgeber zu beobachten und auch bei Partien ohne diese beiden Teams schwappte regelmäßig die La-Ola-Welle durch die vollbesetzten Hallen. Am Fernseher fieberten in Deutschland zehn Millionen Zuschauer und mehr mit. Bei der letzten Heim-WM 2007 waren es sogar bis zu 16 Millionen Menschen. Seitdem ist aber der Zauber, den der Handball entfachen kann, beim breiten Publikum etwas in Vergessenheit geraten - bis jetzt. Die WM im eigenen Land begeisterte die Deutschen: Mit jedem Sieg der DHB-Auswahl fiel der Hashtag #Handballfieber häufiger in den sozialen Netzwerken. Was man dort liest: Handball fasziniert die Menschen mit seiner Intensität, mit dem schnellen Hin und Her, mit den packenden Schlusssekunden mit der Nahbarkeit und Authentizität seiner Protagonisten. Das sind viele Sportfans gar nicht mehr gewöhnt. Und deswegen stahl der kleine Ball dem großen gut zwei Wochen lang die Show.

DW-Sportredakteur Joscha Weber

An König Fußball kommt Handball nicht vorbei

Zweitens: Vergleiche mit dem Fußball sind dennoch nicht zu gewinnen. Denn - und das ist so sicher wie die Schlusssirene nach 60 Spielminuten - der große Handball-Zauber ist schon kommende Woche wieder vorbei, in vielen WM-Teilnehmerländern und auch in Deutschland. Zur Erinnerung: Im TV schauen deutlich mehr Deutsche Drittliga-Fußball-Partien als Duelle der Handball-Bundesliga. Ja, gut zwei Wochen lang sprach jeder in Deutschland über Handball, an den Stammtischen und selbst beim abendlichen Fußballtraining mit den Freunden war es das dominierende Thema. Aber strukturell liegt der Handball weit hinter der deutschen Volkssportart Nummer 1. Die Mitgliederzahlen, Einschaltquoten, TV- und Merchandise-Erlöse und Zuschauerzahlen in den Arenen des Fußballs sind meilenweit entfernt von denen des Handballs. Ein Beispiel: Ein deutscher Handballnationalspieler verdient monatlich im Durchschnitt 22.437 Euro brutto, hat die "Bild"-Zeitung ausgerechnet. Das WM-Team der Fußballer von 2018 nach Schätzungen einschlägiger Medien kommt im Durchschnitt auf rund 660.000 Euro - ebenfalls monatlich wohlgemerkt. Handball mag "der bessere Fußball" sein, wie manche Fans dieser Tage trotzig posten. Doch der ewige Vergleich mit dem großen Bruder, an dem man nicht vorbeikommt, führt zu nichts. Außer zu Frust. Der Handball sollte sich auf sich selbst konzentrieren.

Fokus Nachwuchsarbeit statt der Mär vom Boom

Drittens: Der Handball braucht keinen Boom, dafür aber ein nachhaltiges Konzept. Wie 2007 schrie auch 2019 während der WM im eigenen Land schnell alles nach dem Boom für den Handball. Man wolle die Begeisterung aus dem Turnier in den Ligaalltag tragen, hieß es damals und heißt es heute. Ein frommer Wunsch. Aber abgesehen von den regionalen Zentren spielt Handball landesweit keine große Rolle und das wird auch nach dieser WM wohl so bleiben. Die bis zum Halbfinale 830.000 Zuschauer - Rekord für ein WM-Turnier - sind ein schöner Erfolg, der aber kaum auf die Bundesliga abstrahlen wird. Vielleicht sind es hier und da in den kommenden Wochen ein paar Hundert Zuschauer mehr auf den Rängen in Magdeburg, Hannover, Wetzlar oder Melsungen. Aber der Effekt verpufft stets rasch nach den großen Turnieren. Hilfreicher ist da ein neues Konzept: Die Zahl der gut 750.000 Handballer in Deutschland soll durch gezielte Nachwuchsarbeit steigen. Zwei Drittel der WM-Einnahmen will der Deutsche Handball-Bund in Projekte an Schulen und Kindergärten investieren, um eine neue Basis aufzubauen. Den Sport spielerisch zu den Jüngsten zu bringen, Handball mit all seiner Dynamik und Spannung für sich sprechen zu lassen - das ist der richtige Weg, um nachhaltig zu wachsen. Und vielleicht finden sich so ja die WM-Helden von morgen.

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