Es gibt nur eine Überraschung an diesem Wahlabend im Staate New York: Es ist die spürbare Erleichterung im Team Hillary Clinton. Zu Beginn dieser Vorwahlen hätte niemand gedacht, dass sich die Frage überhaupt jemals stellen würde, ob die langjährige Senatorin "ihren Staat" klar gewinnt. Aber in diesem Jahr kann sich eben niemand auf Gewissheiten ausruhen. Auch nicht eine ehemalige First Lady.
Wäre bei einem Sieg der Abstand zu Bernie Sanders deutlich unter zehn Prozentpunkten gewesen, hätte das sowieso angekratzte Siegerinnen-Image der ehemaligen Außenministerin tiefe Risse bekommen. Sie musste deutlich gewinnen in dem Staat, den sie ihre Heimat nennt. Vor allem für die Stimmung bei ihren Unterstützerinnen und Unterstützern. Zwar hatten Clinton auch schon bei den vorangegangenen Vorwahlen deutlich mehr Menschen gewählt als ihren Konkurrenten. Aber die vielen kleinen Siege des selbsternannten Sozialisten Bernie zeigten Wirkung. Viele Clinton-Unterstützer schienen müde und frustriert. Im direkten Gespräch gaben sie zu, dass sie sich an die Wahlen 2008 erinnert fühlten, als plötzlich der unbekannte Barack Obama das Undenkbare schaffte und das Imperium Clinton schließlich besiegte. Sollte Sanders mit seinem Revoluzzer-Image und seinen vielen energiegeladenen jungen Unterstützerinnen und Unterstützern dasselbe wieder gelingen?
Viel Energie im Raum
Im Sheraton Hotel, in dem die Clinton-Anhänger ihre Kandidatin frenetisch feierten, war die Erleichterung bei den ersten verlässlichen Prognosen mit den Händen zu greifen. Es war so viel Energie im Raum, wie lange nicht. Denn alle wussten: New York ist der Lackmustest. Wenn es Clinton hier nicht gelingt, einen satten Sieg einzufahren, würde es eng im November bei den Präsidentschaftswahlen. Egal, wer dann ihr Herausforderer ist.
Entsprechend persönlich bedankte sich Clinton bei ihren Anhängern und badete sichtlich gelöst in der Menge. Die vielen, vielen Frauen im Raum fielen sich bei ihrer Dankesrede in die Arme, nicht wenige wischten sich eine Träne der Erleichterung aus den Augen. Hillary Clinton ist nicht nur zurück. Jetzt ist sie da. Und mit diesem Impuls aus New York wird sie kaum mehr aufzuhalten sein auf ihrem Weg zur Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten.
Republikaner vor existentieller Krise
Bei den Republikanern fällt die Analyse knapp aus. Auch wenn Donald Trump eindeutig gewann, ist auch nach diesen Vorwahlen noch nicht klar, wie seine Partei mit dem Kandidaten beim Parteitag umgehen wird. Entsprechend gilt hier wie seit vielen Wochen: Nach den Vorwahlen ist vor den Vorwahlen. Fest steht nur: Vom 18. bis zum 21. Juli findet der Parteitag der Republikaner in Cleveland/Ohio statt. Dann müssen die Delegierten endgültig Farbe bekennen, ob sie die Mehrheitsentscheidung der Wählerinnen und Wähler akzeptieren - oder mit der Aufstellung eines anderen Kandidaten ihre Partei in eine mögliche existentielle Krise treiben.
Hillary Clinton weiß um dieses Dilemma. Nach diesem Sieg in New York muss sie sich nicht mehr schwerpunktmäßig um den Gegner in den eigenen Reihen kümmern, sondern kann den Kampf gegen die Republikaner beginnen. Umstritten wie sie ist, wird das auch langsam Zeit.
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