Da Toni Kroos und Sami Khedira das deutsche Spiel in der Auftaktpartie gegen die Ukraine so gut gelenkt haben, drängte sich irgendwann der Gedanke auf: "Wozu braucht dieses Team eigentlich Bastian Schweinsteiger noch?" Besonders Kroos war der Dreh- und Angelpunkt. Er spielte schlaue Steilpässe in die Spitze und leitete Chancen ein. Er servierte - nicht zuletzt beim 1:0 durch Shkodran Mustafi - perfekte Standards, behielt immer die Übersicht, streute gefährliche Weitschüsse ein und war der beste Mann auf dem Platz. Neben ihm gelang Khedira, mit leichten Abstrichen, eine ähnlich gute Leistung. Der Turiner, der anders als Kroos ab und zu auch am gegnerischen Strafraum auftauchte, hätte sich gleich mehrfach in die Torschützenliste eintragen können. Als das Spiel sich in der zweiten Halbzeit beruhigte, war Khedira dann derjenige, über den hinten die endlosen Ballstaffetten liefen, die die Ukrainer ermüdeten und ihnen den Zahn zogen. Wozu also Schweinsteiger?
Die Antwort darauf gab der zuvor lange verletzte und vor der EM als übergewichtiges Auslaufmodell geltende Schweinsteiger in seinem 180 Sekunden langen Pflichtspiel-Comeback selbst. Niemand hatte erwartet, dass der 31-Jährige das 2:0 machen würde. Löw hatte ihn lediglich gebracht, um das Spiel zu beruhigen. Schweinsteiger sollte den Ball halten und die Nachspielzeit erfolgreich über die Bühne bringen.
Dass Schweinsteiger, der bis zum letzten EM-Testspiel gegen Ungarn monatelang verletzt ausgefallen war, dennoch zum Sprint ansetzte und mit aller Konsequenz den Weg in die Spitze suchte, zeigt einmal mehr, wie ehrgeizig er ist.
Schweinsteiger als Euphorie-Auslöser
Dass Joachim Löw seine defensive Achse Kroos-Khedira - sofern sich keiner der beiden verletzt - im Laufe des Turniers für Schweinsteiger auseinanderreißt, ist nicht zu erwarten. Dass Schweinsteiger in Frankreich über den Status des Einwechselspielers für die letzten Minuten hinauskommt, ebenfalls nicht. Vielleicht aber hat der Kapitän damit genau die Rolle gefunden, mit der er dem deutschen Team bei dieser EM am besten helfen kann.
Mit seinem 2:0 hat er schon jetzt mehr für die DFB-Elf getan, als mancher Experte ihm vor dem Turnier zugetraut hätte. Nicht, weil das Tor den Sieg gegen die Ukraine endgültig sicherte. Sondern vielmehr, weil die Tatsache, dass ausgerechnet Schweinsteiger dieses Tor auf diese Art und Weise erzielt hat, eine Euphorie in der Mannschaft auslösen kann. Die Jubelbilder nach dem Auftaktsieg sprechen für sich. Diese Euphorie wird die deutsche Mannschaft in jedem Fall durch das nächste Spiel gegen Polen tragen - möglicherweise aber auch durch das gesamte Turnier.
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