Impuls aus Berlin
25. März 2007Angela Merkel, der Bundeskanzlerin und EU-Ratsvorsitzenden, ist es gelungen, den Europamüden unter den Staats- und Regierungschefs wieder etwas Beine zu machen. In der Berliner Erklärung, die überraschend kurz und auch für Nichtbürokraten lesbar ausfiel, legte sie die EU darauf fest, sich bis Juni 2009 eine neue vertragliche Grundlage zu geben.
Überzeugend, aber nicht mitreißend
Die Handlungsfähigkeit, die durch den Spagat zwischen Integration und Erweiterung arg gelitten hat, muss wieder und wird wieder hergestellt werden. Das ist die Botschaft von Berlin. Zweiflern, Zögernden und Zauderern hat Angela Merkel mit auf den Weg gegeben, dass schon vor 50 Jahren bei der Geburt in Rom die EWG-Verträge mit welkenden Rosenstöcken und alternden Mädchen verglichen wurden. Sie hielt entgegen, der Rosenstock der EU sei prächtig gewachsen und sie, das alte Mädchen, dürfe nun als EU-Ratspräsidentin die Berliner Erklärung unterschreiben.
Die Kleinmütigen hat die erste in einer kommunistischen Diktatur aufgewachsene EU-Präsidentin widerlegt. Eins zu Null für Angela Merkel für ihre überzeugende, wenn auch nicht mitreißende Rede. Ob sie auch die europamüden Bürgerinnen und Bürger in der EU erreichen wird, muss sich erst noch erweisen. Immerhin hat die Bundeskanzlerin Europa auf die griffige und richtige Formel gebracht: Wir sind vereint im Glück. Europa ist unsere Zukunft. Toleranz ist unser Leitmotiv.
Simpel und wahr
Eindrucksvoll auch das Bekenntnis zu einer starken Partnerschaft mit den USA und zu einer starken NATO. Europa dürfe sich nicht auseinanderdividieren lassen, auch nicht von Russland, mit dem die EU weiter eine strategische Partnerschaft ausformen will. Gemeint war der aktuelle Streit um die Raketenabwehr der USA, von denen Teile gegen russischen Protest in Polen, Tschechien und vielleicht auch Großbritannien stationiert werden sollen.
Das Credo der EU-Ratspräsidentin - Nur gemeinsam sind wir künftig in der Energie-, Umwelt- oder Außenpolitik stark - ist so simpel wie wahr. Wenn die Reden verklungen sind, kommt es darauf an, dass die 27 unterschiedlichen Interessen in der EU auch auf einen Nenner gebracht werden können. Bemerkenswert ist, dass Angela Merkel beim festlichen Gipfel Sudan, Zimbabwe und Iran ausdrücklich kritisierte. Sie demonstrierte, dass Europa in der internationalen Politik eine größere Rolle spielen will und muss.
Viel hängt von Frankreich ab
In einer persönlichen Bemerkung hat die Kanzlerin in einem diplomatischen Drahtseilakt doch noch das christlich-jüdische Erbe Europas gewürdigt. In den Text der Berliner Erklärung konnte es wegen französischen Widerstandes nicht aufgenommen werden. Jetzt kommt es entscheidend darauf an, ob die Staats- und Regierungschefs den Impuls, der von Berlin ohne Zweifel ausgegangen ist, nun aufnehmen und im Juni beim nächsten Arbeitsgipfel in Brüssel zu einem konkreten Fahrplan für einen neuen Grundlagen-Vertrag fortentwickeln können.
Viel hängt davon ab, wie der neue Präsident oder die neue Präsidentin Frankreichs nach den Wahlen im Mai agieren wird. Das entzieht sich der direkten Kontrolle der derzeitigen EU-Ratspräsidentin, aber das alte Mädchen, wie sie sich selbstironisch ja selbst bezeichnet, ist entschlossen, den Rosenstock EU weiter zu hegen und zu pflegen, auch wenn es Widerstände gibt. Bislang war sie eine geschickte Gärtnerin.