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Politik

In einem Meer von Wattestäbchen

Steiner Felix Kommentarbild App
Felix Steiner
4. November 2018

Der Anteil von Plastikmüll in den Weltmeeren wird immer höher. Die EU will mit Verboten diverser Produkte gegensteuern. Dabei müssten für wirksame Lösungen ganz andere Wege beschritten werden, meint Felix Steiner.

Hier schwimmt vieles - Wattestäbchen eher wenigerBild: picture-alliance/Photoshot

Wenn es in der Politik - wie Zyniker sagen - in erster Linie auf Symbolik und große Gesten ankommt, dann ist die Europäische Union auf dem richtigen Weg. Denn mit dem angekündigten Verbot von Einwegbesteck, Trinkhalmen und Wattestäbchen aus Plastik wird die Welt garantiert eine bessere. Der Nutzen für mehr Sauberkeit in den Weltmeeren - und darum sollte es ja eigentlich gehen - dürfte hingegen eher marginal sein. Aber Hauptsache, wir in Europa fühlen uns gut. Denn wir haben ja etwas getan.

Immer mehr Plastik

Es ist nicht zu leugnen: Das Plastik um uns herum wird immer mehr. Ob Gemüse, Obst, Fleisch, Wurst oder Käse im Supermarkt: in Kunststoff abgepackt. Jedes Buch in der Buchhandlung: in Folie eingeschweißt. Die Frau, die mir mein Frühstückbrötchen verkauft, trägt Plastikhandschuhe. Und aus fast jedem Rucksack in der U-Bahn ragt eine Einweg-Plastikflasche. Als gäbe es in deutschen Büros, Schulen oder Universitäten keine Wasserhähne. Die im übrigen einwandfreies und zumeist sehr schmackhaftes Trinkwasser liefern - doch das ist ein anderes Thema.

DW-Redakteur Felix Steiner

Aber landet all dieser Luxus an Einweg- und Wegwerf-Artikeln deswegen automatisch im Meer? Natürlich nicht. Denn in ganz Europa gibt es flächendeckende Systeme der Müllentsorgung - zum Teil sogar nach unterschiedlichen Stoffen getrennt und mit erheblichen Wiederverwertungsquoten. Und wer regelmäßig Europas Strände besucht oder auf dem Mittelmeer segeln geht, der weiß: Wattestäbchen, Trinkhalme und Plastikgabeln sind wahrlich nicht das Hauptproblem. Denn am oder auf dem Wasser findet man vor allem: Wasserflaschen, Plastiktüten, Reste von Fischernetzen sowie Motorenöl- und Duschgel-Flaschen. Nichts von alledem will irgendjemand grundsätzlich verbieten. Aber über gesetzlich vorgeschriebene Pfandsysteme oder Mindestpreise ließe sich das Problem ganz radikal reduzieren. Hier kann sich die EU beweisen!

Doch die wirklichen Hotspots der Meeresverschmutzung befinden gar nicht in Europa. Acht der zehn Flüsse, die in Tonnen gemessen täglich das meiste Plastik in die Meere spülen, liegen in Asien. Die beiden anderen in Afrika. Was kann Europa also tun? Wirklich nur alarmierende Bilder in den Sozialen Medien teilen und das Elend der Welt beklagen? Nein, Europa hat natürlich ganz andere Möglichkeiten. Zum Beispiel diese: Den Regionen, die im Einzugsbereich dieser dreckigsten Flüsse liegen, beim Aufbau ordentlicher Entsorgungs- und Verwertungssysteme zu helfen. Damit der Müll in Zukunft eben nicht mehr nur ins fließende Wasser gekippt wird.

Aufbau von Müllabfuhren kostet Geld

Europäische - und vor allem deutsche - Firmen haben hierfür hervorragende Konzepte und hocheffiziente Anlagen im Angebot. Nur: Die will oder kann vor Ort niemand bezahlen. Wenn uns Europäern das Thema also wirklich so wichtig ist, dann wird nichts anderes übrig bleiben, als selbst in die Kasse zu greifen und entsprechende Entwicklungsprojekte aufzulegen. Das wäre dann wenigstens eine wirkungsvolle und nachhaltige Politik. Aber eben auch deutlich teurer als das Verbot von Einwegbesteck und Wattestäbchen.

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