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Politik

Modi hat sich verzockt

Katja Keppner
3. Dezember 2016

India goes digital. Bargeld war gestern. Modi will das Richtige. Aber seine Rechnung geht nicht auf. Seit er einen Großteil des indischen Bargeldes für ungültig erklärt hat, steht das Land Kopf, meint Katja Keppner.

Indien Mumbai Proteste gegen Abschaffung von Geldscheinen
Proteste in Mumbai gegen die Abschaffung der meisten Rupen-BanknotenBild: Getty Images/AFP/I. Mukherjee

Was bewegt einen Regierungschef dazu, in einer Nacht- und Nebelaktion 86 Prozent des Bargeldbestandes einer Nation als wertlos zu deklarieren? Ohne jede Vorwarnung. Hat er allen Ernstes geglaubt, dass solch eine monetäre Schocktherapie Indien von Schwarzgeld befreien wird? Dass es die 98 Prozent der indischen Bevölkerung, die derzeit keine Steuern bezahlen, dazu bewegen wird, es doch zu tun? Dass dadurch eine Volkwirtschaft, in der 90 Prozent der Geschäfte noch immer in bar abwickelt werden, quasi nebenbei, in eine "cashless future" gleitet? Die Befürchtung ist: Ja, das hat er geglaubt!

Der Zweck heiligt nicht die Mittel

Indiens Premierminister Narendra Modi hat den Ruf eines Arbeitstieres. Vom Typ her Einzelkämpfer, will er Indien ehrgeizig in eine neue Zukunft führen. Die Armen von ihrem Leid befreien. Investoren anlocken. Indien soll wachsen, digital und bargeldlos werden. Per Twitter verkündet er, dass durch die Geldentwertung jeder einzelne Staatsbürger zum Soldaten im Kampf gegen Korruption und Schwarzgeld geworden sei.

Das Ziel ist das Richtige - aber der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

Katja Keppner ist DW-Korrespondentin in Neu-Delhi

Seit gut drei Wochen nun stehen die Menschen in Schlangen vor den Geldautomaten. Mit Bündeln wertloser Geldscheine, Schecks oder EC-Karten in den Händen. Viele gehen leer aus. Entweder weil die tägliche Bargeldmenge aufgebraucht ist oder der Automat den Geist aufgibt. Die Banken sind völlig überfordert. Auf dem Land ist die Situation noch weit dramatischer: Es gibt Dörfer, in denen seit Tagen kein Bargeld mehr im Umlauf ist. Es wird wieder getauscht und in Naturalien bezahlt. Kann das die Zukunft sein?

Nach anfänglichem Beifall und der Freude, dass die Schwarzgeldinhaber endlich die Hosen herunter lassen müssen, droht die Stimmung zu kippen. Wie schlecht die Aktion vorbereitet gewesen sein muss, zeigt allein, dass täglich nachjustiert wird, Ausnahmen verkündet und dann doch wieder zurück genommen werden. Erste Falschnoten sind bereits im Umlauf.

Vertrauen - die entscheidende Währung

Modis Geldentwertung setzt das Vertrauen eines Milliardenvolkes aufs Spiel. Er muss diese politische  Währung unterschätzt haben. Denn keine Volkswirtschaft wächst, ohne Vertrauen in die eigene Währung. Verlorene Regionalwahlen im kommenden Jahr wären da noch das geringste Problem. Ökonomen beschimpften die Maßnahme bereits als "blind" und "dumm". Vor allem, weil Modi anscheinend übersehen hat, dass mehr als die Hälfte aller Inder noch immer kein Bankkonto hat. Viele dieser 600 Millionen Menschen müssen eine Tagesreise zu Fuß oder auf der Ladefläche eines LKW in die nächste Stadt auf sich nehmen, um eine Bank zu erreichen. Die meisten von ihnen verstehen nicht einmal, was auf dem Bildschirm des Geldautomaten geschrieben steht oder gar, was ein PIN-Code ist.

Doch genau diese Menschen sind jetzt die Leidtragenden. Sie können nicht bequem per App vom Sofa aus bestellen, wie das der moderne Mittelklasse-Inder derzeit tut. Tagelöhner klagen, dass sie ihren Kindern ganze Mahlzeiten streichen müssen. Straßenverkäufer, dass sie ihr Gemüse nicht loswerden, geschweige denn Neues kaufen können. Bauern, dass ihnen das Cash für neues Saatgut fehlt. Jene, die Bares haben, horten es und geben es nicht mehr in den Wirtschaftskreislauf. Der steht völlig unter Schock. Dass dieser Schock bis Ende des Jahres überwunden sein soll, wie Modi es versprochen hat, glaubt kaum noch jemand. Auch nicht, dass die neuen Banknoten das Schwarzgeld verbannen werden. Der Premierminister hat sich ganz einfach verzockt.

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