1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

INF-Vertrag - Reden statt Rüsten

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
13. Februar 2019

Die NATO will vorerst keine neuen Atomwaffen in Europa: Zu teuer und politisch schwer durchsetzbar. Wie soll Russland von Verhandlungen überzeugt werden? Die Allianz hat noch keine Antwort, meint Bernd Riegert.

Stein des Anstosses: Russischer Marschflugkörper 9M729 bei einer Pressevorführung im JanuarBild: picture-alliance/Sputnik/V. Astapkovich

Das Problem ist seit spätestens 2013 bekannt. Damals warf US-Präsident Barack Obama Russland erstmals offiziell vor, den Vertrag über atomare Kurz- und Mittelstreckenraketen (INF) zu verletzen. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte damit begonnen, mobile, schwer zu stoppende Marschflugkörper in Europa zu stationieren, die leicht europäische Städte und militärische Einrichtungen der NATO erreichen könnten. Das Problem der russischen Aufrüstung fand in der Öffentlichkeit wenig Beachtung. Man glaubte, der Kalte Krieg sei doch nun allemal vorbei. Mit Abschreckungstheorien, Raketenzählen und Absrüstungsverträgen mochte sich niemand so recht beschäftigen. Aus russischer Sicht hatte der Westen mit dem Rüsten begonnen, weil die USA in Europa ein Raketenabwehrsystem aufzustellen begannen, das sich allerdings nicht gegen Moskau, sondern den Iran, Nordkorea und andere Schurkenstaaten richten sollte. Über Jahre schwelte der Rüstungsstreit zwischen der NATO und Russland vor sich hin.

Neue Rüstungsspirale vermeiden

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Erst der Hau-drauf-Präsident Donald Trump sorgte mit seiner polternden Kündigung des INF-Vertrages für Aufmerksamkeit. Plötzlich ist die Gefahr durch die atomaren Marschflugkörper in aller Munde. Trump schaffte es, die NATO, die Militärallianz, die er ansonsten wenig schätzt, hinter sich zu vereinen. Gemeinsam gegen die Russen, das klappt. Beide Seiten sind nun bald nicht mehr an den Vertrag gebunden. Die NATO-Verteidigungsminister haben in Brüssel darüber beraten, was nun zu tun ist. Wie soll man dem offensichtlichen militärischen Vorteil der russischen Seite begegnen? Will Wladimir Putin tatsächlich Europa militärisch bedrohen oder geht es ihm eher darum, die NATO, den Westen zu spalten und unter ständigem Druck zu halten?

Auf diese Fragen hat die Allianz noch keine Antworten gefunden. Noch schließen NATO-Funktionäre und auch die deutsche Bundesregierung eine Nachrüstung auf europäischem Boden aus. Es soll nicht zu der gleichen Lage wie Anfang der 1980er Jahre in Deutschland kommen, als erbittert über die Nachrüstung mit amerikanischen Pershing-Raketen als Antwort auf die Bedrohung durch sowjetische SS-20 gestritten wurde. Letztlich führte dieses Wettrüsten bei gleichzeitigen Verhandlungen mit Moskau zum Verbot der Waffen im 1988 in Kraft getretenen INF-Vertrag.

Das waren noch Zeiten: Präsident Reagan (li.) und Sowjetführer Gorbatschow mit dem INF-Vertrag 1988Bild: picture-alliance/dpa/AFP

Andere einbeziehen

Dieses Rezept könnte auch in diesem Konflikt wieder wirken. Doch es ist teuer und würde enormen politischen Widerstand in Europa erzeugen. Die NATO und mit ihr die Führungsmacht USA setzen zunächst auf eine Prüfung anderer Optionen, vielleicht die Stationierung see-gestützter Waffen oder andere noch ungenannte Maßnahmen. Auch Verhandlungen über die atomaren Mittelstreckenwaffen sind nicht ausgeschlossen, wenn andere aufstrebende Militärnationen wie China, Iran, Indien und Pakistan einbezogen werden könnten. Die NATO müsste außerdem bereit sein, auch auf russische Forderungen einzugehen und über die Raketenabwehrsysteme in Europa zu sprechen. Klar ist nur, dass der russische Präsident Putin eine eindeutige Ansage braucht und nur auf Härte reagieren wird. Insofern hat die ansonsten ziemlich chaotische Trump-Administration mit dem Rückzug aus dem INF-Vertrag nicht falsch gehandelt.

Die neu gefundene transatlantische Harmonie in dieser einen Frage wird allerdings schon wieder getrübt. Gleichzeitig zum NATO-Treffen in Brüssel veranstalten die USA in Warschau eine Nahost-Konferenz, die sich gegen die Haltung der Europäer, Chinesen und Russen im Konflikt um eine mögliche atomare Bewaffnung des Iran richtet. Hier arbeiten die NATO-Partner gegeneinander. Unverständlich, überflüssig. Die Russen wird es freuen. Der Sache dient es nicht.

Bei der Sicherheitskonferenz am Wochenende in München sollten NATO-Generalsekretär Stoltenberg und der russische Außenminister Lawrow konkrete Schritte machen, um Verhandlungen über die Mittelstreckenraketen in Europa und der Welt anzuschieben.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen