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Politik

Interessenspolitik mit Haltung

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Jens Thurau
5. Oktober 2016

Der Iran bleibt auch nach dem Ende der Atom-Sanktionen ein schwieriges Terrain für Deutschland. Vizekanzler Sigmar Gabriel hat bei seinem Besuch in Teheran die richtige Balance gefunden, meint DW-Redakteur Jens Thurau.

Bild: Reuters/H. Hanschke

Die gute Nachricht vorweg: Einige konkrete Geschäfte zwischen deutschen Firmen und dem Iran wurden während des Besuchs von Wirtschaftsminister Gabriel in Teheran auch gemacht: Siemens liefert Teile für 50 Lokomotiven für die iranische Eisenbahngesellschaft. Und Linde eröffnete am Montag im Teheraner Norden ein neues Büro. Allerdings ohne Gabriel. Der sprach zeitgleich mit einem der zehn Stellvertreter des iranischen Präsidenten Ruhani, der als Pragmatiker gilt. Und schon war der deutsche Vizekanzler mittendrin in der Außenpolitik, den Beziehungen Deutschlands zum Iran. Denn den Termin mit dem Vizepräsidenten hatte die iranische Führung eilig nachgeschoben, nachdem das eigentlich geplante Gespräch mit Parlamentspräsident Ali Laridschani ausfiel. Ob das daran lag, dass der Bruder Laridschanis, der Chef der Justiz, Sadegh Laridschani, auf Gabriels Besuch so reagierte: "Den Zionisten-Freund darf man eigentlich nicht ins Land lassen."?

Nichts Genaues weiß man nicht. Iran ist nicht gleich Iran. Gabriel will auf jeden Fall die Pragmatiker um Ruhani stützen, die die Einigung im Atomstreit und das Ende des Embargos erst möglich machten. Im nächsten Jahr will Ruhani wiedergewählt werden, die Konservativen machen gegen ihn mobil. Gabriels Kalkül: Die Menschen müssen merken, dass ihnen das Ende der Sanktionen wirklich nützt, dann hat Ruhani die Chance, seinen Kurs fortzusetzen. Und nur mit Ruhani, glaubt Gabriel, lassen sich jedenfalls kurzfristig auch die Chancen für die deutsche Wirtschaft im Iran verbessern. Richtig Spaß macht diese Außenpolitik, die als Wirtschaftspolitik verkleidet daherkommt, dem SPD-Chef.

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Auf ein belastbares Verhältnis zu den Reformern geht es dem Vizekanzler also. "Reformer" dabei ganz vorsichtig ausgedrückt, denn die Menschenrechtslage hat sich auch unter Ruhani nicht verbessert, im Gegenteil. Aber glaubt man dem Minister, schaffen es beide Seiten, sich zuzuhören. Auch bei den Themen Israel, Syrien, Hinrichtungen. Einzelschicksale von Bedrohten im Iran spricht Gabriel an, aber hinter verschlossenen Türen. Beliebt macht sich der SPD-Chef in der Heimat nicht, wenn er das leise tut. Vor allem nicht, wenn er zeitgleich die Chancen deutscher Firmen preist, weil der Iran nach dem Ende des Embargos bis 2020 eine Billion Euro investieren will: in Maschinen, Anlagen, Infrastruktur, Flugzeuge und, und, und. Aber richtig ist dieses Vorgehen trotzdem.

Das Echo auf den Besuch des Deutschen ist groß, Deutschland hat einen guten Ruf im Iran. Am Mittwoch erschienen mehrere Zeitungen in Teheran mit dem Bild Gabriels auf der Titelseite, seine Pressekonferenzen waren auch von iranischen Journalisten gut besucht. Und anders als im Frühjahr in Ägypten schaffte der deutsche Vizekanzler diesmal die Übung in Sachen Interessenspolitik, die die Haltung nicht vergisst. Damals, in Kairo, nannte er den ägyptischen Militärherrscher Al-Sisi einen "beeindruckenden Präsidenten". Das war etwas viel der Diplomatie. Im Iran passierte Gabriel Vergleichbares nicht.

Dafür machte er dann kräftig Innenpolitik, schimpfte auf dem Hinflug nach Teheran über die Deutsche Bank und deren schwere Krise: "Ich wusste nicht, ob ich lachen oder wütend sein soll, dass die Bank, die das Spekulantentum zum Geschäftsmodell gemacht hat, sich jetzt zum Opfer von Spekulanten erklärt." Starker Tobak, typisch Gabriel. Aber eigentlich ist ja nicht nur im Iran Wahlkampf, sondern auch schon in Deutschland…

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