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Politik

Israelkritik - zu den Abgründen eines Motivs

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
28. Dezember 2016

Die UN-Resolution zum israelischen Siedlungsbau hat in Israel helle Aufregung ausgelöst. Das ist verständlich, meint Kersten Knipp. Denn schaut man sich einige der Unterzeichner an, darf man an lauteren Motiven zweifeln.

Bild: picture-alliance/Zumapress/A. Lohr-Jones

Fünf Tage nach der UN-Resolution gegen den israelischen Siedlungsbau wird in Jerusalem und Tel Aviv weiter Ursachenforschung betrieben: Wie konnte es dazu kommen, dass der UN-Sicherheitsrat zum ersten Mal seit 1979 die israelische Siedlungspolitik in einer Resolution verurteilt und zugleich den sofortigen Stopp israelischer Siedlungsaktivitäten im Westjordanland und in Ost-Jerusalem fordert? Diese, so heißt es in der Resolution, hätten keine rechtliche Grundlage und gefährdeten die Umsetzung einer Zwei-Staaten-Lösung.

In Israel wird die Debatte um die Resolution äußerst selbstkritisch geführt. "Wäre der Siedlungsbau nicht beschleunigt worden; hätten wir nicht diese militante Rhetorik der jetzigen Regierung gehört, hätten die USA einen anderen Standpunkt eingenommen", erklärte der stellvertretende nationale Sicherheitsberater Ben Rhodes. Premier Benjamin Netanjahu ziehe Israel mit seiner Politik in den Abgrund, schrieb die linksliberale Tageszeitung Haaretz. In Reaktion auf die Resolution hat die Jerusalemer Stadtverwaltung eine geplante Abstimmung über hunderte neue Siedlerwohnungen im palästinensischen Ost-Jerusalem abgesagt, Agenturberichten zufolge auf Drängen Netanjahus.

...und immer wieder die Siedlungspolitik

Die Siedlungspolitik ist problematisch. Ihre juristische Grundlagen sind umstritten: Israel hält sie für begründet, die UN sehen das anders. Und wer einmal im Westjordanland unterwegs ist, bekommt einen nachdrücklichen Eindruck davon, was die Besatzungspolitik für die Palästinenser bedeutet. Es liegt auf der Hand, dass diese Politik keine auf Dauer sein kann. Und die fundamentalistischen Siedler muss man, ebenso wie die Fundamentalisten von Hamas und Fatah, nicht als die sympathischsten Repräsentanten ihres Staates sehen.

DW-Autor Kersten Knipp

Fragwürdige Unterzeichner

Und trotzdem: Schaut man an, welche Staaten diese Liste unterzeichnet haben, irritiert die Resolution. Eingebracht hatte sie ausgerechnet Ägypten (auch wenn Kairo die Vorlage nachher wieder zurückzog): ein Staat, der mittlerweile seit Jahren durch erhebliche Menschenrechtsverletzungen von sich reden macht; der Oppositionelle, Journalisten und viele andere, deren Standpunkt den Regierenden nicht genehm ist, in seine Gefängnisse sperrt, und der in Massenprozessen Todesurteile verhängt hat. Ebenfalls eine mindestens fragwürdige Politik betreiben Amnesty International zufolge andere Unterzeichnerstaaten: So pflegt Venezuela unter Präsident Maduro einen sehr robusten Umgang mit politischen Gegnern; die Regierung des Senegal schränkt das Versammlungsverbot ein und findet nichts dabei, Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung festzunehmen; Malaysia setzte das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie andere bürgerliche und politische Rechte ebenfalls massiv unter Druck.

Auch die Israel-Empörung einiger der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates erstaunt - diejenige Russlands und Chinas etwa. Wenn es um die Verletzung der Menschenrechte geht, gelten beide seit Jahren als verlässliche Kandidaten. Russland lässt seine Bomben seit Monaten auf syrische Zivilisten fallen - überwiegend auf Sunniten, Angehörige also derselben Konfession, die Moskau in Palästina zu schützen vorgibt.

Grenze zum Antisemitismus erreicht

Mit solchen Kandidaten an Bord hat die UN-Resolution mindestens ein Glaubwürdigkeitsproblem. Dies umso mehr, als eine andere UN-Organisation, die UNESCO, den Tempelberg in Jerusalem im Oktober dieses Jahres indirekt als ausschließlich muslimische Stätte bezeichnet hat. In dem entsprechenden Papier wird sie nur unter dem Namen "Al-Aksa Moschee / Al-Haram Al-Scharif und Umgebung" genannt. Gemeint ist damit auch die Klagemauer, an der täglich Hunderte Juden beten. Hier allein muslimische Ansprüche begründen zu wollen - ein solches Unterfangen gerät mindestens in die Nähe des Antisemitismus. Nicht auszuschließen, dass diese Grenze überschritten ist.

Nicht besser wird die Lage dadurch, dass die Resolution ausschließlich von arabischen Staaten eingereicht wurde - darunter Algerien, der Libanon, Sudan, Ägypten und Sudan. Die ersten drei dieser Staaten haben Israel bis heute nicht anerkannt. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt?

Vorsicht bei der Partnerwahl

Kritik an der israelischen Siedlungspolitik ist legitim. Jedenfalls solange sie sich von Antisemitismus und anderen unlauteren Motiven - etwa der Ablenkung von innenpolitischen Motiven oder plumper Rancune - in aller Deutlichkeit abgrenzt. Glaubwürdig und annehmbar ist sie nur dann, wenn sie auf Distanz zu jenen geht, deren eigenes Handeln nahezu zwingend die Schlussfolgerung nahelegt, sie verfolgten ganz andere Ziele als es die vornehmen Verlautbarungen suggerieren sollen. Längst nicht alle, die scheinbar Gleiches fordern, sind darum schon Brüder im Geiste. Darum: Vorsicht bei der Partnerwahl.

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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