1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Israels Vorgehen im Gaza-Streifen sollte verurteilt werden

Peter Philipp12. Juni 2006

Darf sich Israel - bei kaum hörbarem Einspruch der westlichen Partner - gegen Terrorangriffe mit einem übermäßigen Gewalteinsatz, unter Inkaufnahme ziviler Opfer wehren? Nein, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

Trauer nach dem Angiff auf eine palästinensische Familie in GazaBild: AP

Es klingt doch recht zynisch, wenn der israelische Ministerpräsident versichert, seine Armee sei die "moralischste Armee der Welt", während die Gräber noch frisch sind, in denen eine palästinensische Familie beigesetzt wurde, die am Freitag (9.6.2006) beim Picknick am Strand von Gaza Opfer eines israelischen Artilleriebeschusses geworden war. Natürlich wäre es infam, der israelischen Armee zu unterstellen, bewusst und gezielt gegen unschuldige Zivilisten zu agieren. Die bisherige Erfahrung zeigt aber doch auch immer wieder, dass Zivilisten der Gegenseite letztlich nicht viel zählen und dass die Untersuchung von Zwischenfällen selten befriedigend verläuft und nie die Verantwortlichen wirklich zur Verantwortung zieht.

So könnte es auch im vorliegenden Fall geschehen: Nicht vor Montagabend soll der offizielle Untersuchungsbericht vorliegen. Aber jetzt schon heißt es aus dem Verteidigungsministerium, möglicherweise sei gar nicht israelische Artillerie, sondern eine palästinensische Sprengladung Schuld an dem Unheil. Vorsorglich hat man allerdings verfügt, den Artilleriebeschuss einzustellen.

Eine Anweisung, die Tage zu spät kommt. Nicht nur für die Opfer am Strand von Gaza, sondern auch für die Bemühungen um eine Entkrampfung der Lage in den palästinensischen Gebieten: Seit dem tödlichen Zwischenfall von Gaza ist eine gefährliche Eskalation zu beobachten: Die islamistische "Hamas" hat ihren seit über einem Jahr eingehaltenen Waffenstillstand aufgekündigt, gleich Dutzende von Raketen sind daraufhin vom Gazastreifen aus auf Israel abgefeuert worden, und auch auf politischem Gebiet stehen die Dinge nicht gut: Palästinenser-Präsident Mahmoud Abbas will Ende Juni in einem Referendum darüber abstimmen lassen, ob die Palästinenser zwei Staaten - Palästina neben Israel - akzeptieren. Er stößt mit dem Plan aber weiterhin auf Ablehnung der "Hamas", und die Stimmung in der Bevölkerung dürfte sich durch die neue Gewalt auch nicht gerade zu Gunsten einer friedlichen Koexistenz entwickeln.

Immerhin haben inzwischen nicht nur UN-Generalsekretär Kofi Annan, sondern auch Sprecher in Washington und den europäischen Hauptstädten die Entwicklung bedauert und beide Seiten zu Mäßigung aufgerufen. Das allein wird freilich kaum etwas nützen: Mahnungen aus Europa bleiben fast immer wirkungslos, die UNO wird nicht ernst genommen, und Washington kann vor dem Hintergrund seines eigenen Verhaltens im Irak schwerlich als moralische Autorität auftreten.

Zumindest müsste man der Regierung Olmert unmissverständlich klar machen, dass Terrorismus nicht mit Artillerie bekämpft werden kann, auch nicht mit Kampfbombern. Und dass der Rückzug aus dem Gazastreifen nicht ein Freibrief sein kann, dort nach Lust und Laune zuzuschlagen: Heute gezielte Ermordungen radikaler Palästinenser, morgen Artillerie- und Luftangriffe und übermorgen vielleicht wieder eine Invasion?

Wenn das unter unilateralem Abzug aus besetzten Gebieten zu verstehen ist, dann sollte das Nahost-Quartett (aus USA, EU, UN und Russland) sich möglichst rasch zusammensetzen und Israel mitteilen, dass ein solcher Rückzug aus dem Westjordanland - wie Olmert ihn ansteuert - nicht in Frage kommt.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen