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Politik

Italien wird zum Risiko

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
20. Oktober 2018

Der untragbare Budgetentwurf der italienischen Regierung aus Populisten und Rechtsradikalen zwingt die EU zu heiklen Entscheidungen. Es geht um die Glaubwürdigkeit der Union und sehr viel Geld, meint Bernd Riegert.

Bild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Noch ist Italien nicht pleite, aber die Koalition aus Populisten und Rechtsradikalen in Rom tut alles dafür, das Land schneller als gedacht an den Rand des Abgrunds zu führen. Der EU-Kommission einen regelwidrigen Schuldenhaushalt vorzulegen, ist eine bewusste Provokation. Die Bewegung "5 Sterne" und die Lega wollen zeigen, dass sie mit ihrer Formel "Italien zuerst" Ernst machen und es die bösen Bürokraten in Brüssel sind, die der "Regierung des Wandels" Fesseln anlegen wollen. Doch die Annahme, dass Italien sich nächstes Jahr ausufernde Ausgaben leisten und gleichzeitig mit höherem Wachstum die Staatsschuldenquote senken kann, ist völlig abenteuerlich. Das weiß der italienische Finanzminister Tria sehr wohl, doch er schweigt und spielt das Spiel der Populisten mit. Die wollen ihren Wahlversprechen mit neuen Schulden finanzieren. Um die Folgen für Italien und Europa scheren sie sich nicht.

Gefährliche Scheinwelt

Dass die Kosten für italienische Schulden rasant ansteigen und die italienischen Banken gleichzeitig in die Knie gehen, tun die Herren Di Maio ("5 Sterne") und Salvini (Lega) als Verschwörung der Finanzwelt ab. Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen (spread) halten sie für eine Knute, die sich die Deutschen ausgedacht haben, um Italien niederzuhalten. Diese Vorstellungen sind absurd und gefährlich. Die Populisten wollen Italien von den Finanzmärkten unabhängig machen. Dafür sollen Italiener noch mehr Anleihen ihres Staates kaufen. Der will diese mit Steuernachlässen belohnen. Das würde zu weniger Steuereinnahmen führen und die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben noch wachsen lassen.

Der eigentlich Plan, der auch im Koalitionsvertrag der Populisten und Rechtsradikalen festgelegt ist, lautet: eine parallele Währung in Italien einzuführen. Mit der würde der Staat seine Verbindlichkeiten gegenüber italienischen Firmen bezahlen. Die Firmen könnten mit ihr ihre Steuerschulden gegenüber dem Staat zahlen. Die meisten Ökonomen warnen eindringlich vor solchen Experimenten. Illegal wäre eine solche Parallelwährung im Euro-Raum ohnehin, doch das kümmert Salvini und Di Maio nicht. Die Gemeinschaftswährung Euro ist beiden ein Dorn im Auge. Auch der Euro gilt den Ideologen in Rom als Instrument der Unterdrücker in Brüssel.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Italien nicht demütigen

Die Europäische Union muss auf die Provokation und das brandgefährliche Spiel der Populisten entschlossen, aber auch mit Fingerspitzengefühl reagieren. Nur im Dialog können die schlimmsten Sünden aus dem italienischen Etatentwurf verbannt werden. Harsche Worte auf Seiten der EU und die durchaus gerechtfertigte Zurückweisung des Haushaltsentwurfes würden den Populisten nur einen willkommenen Vorwand liefern, die Europäer als Sündenböcke für alles zu brandmarken, was in den nächsten Monaten in Italien schief laufen wird. Noch immer sitzt die Demütigung bei vielen Italienern tief, die 2011 während der Finanzkrise dem damaligen Ministerpräsidenten Berlusconi widerfahren ist. Mit Rückendeckung der EU drängten ihn Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy zum Rücktritt. Berlusconis unverantwortliche Haushaltspolitik gefährdete damals die Eurozone. Die Zinsen für Italiens Staatsanleihen lagen damals bei sieben Prozent, heute bei etwas über vier. Noch ist also etwas Raum für Verhandlungen.

Sollten die Populisten nicht von ihrem riskanten Haushaltsentwurf abrücken, muss die EU allerdings am Ende konsequent reagieren und ein Strafverfahren anstrengen. Die Frage ist nur, ob Italien sich dem beugen würde. Salvini, Di Maio und Co. pöbeln bereits, sie würden sich von Brüssel gar nichts sagen lassen. Dass sie damit durchkommen könnten, haben sie bei den populistischen Kollegen in Polen und Ungarn gelernt. Beide Staaten ignorieren konsequent Urteile des Europäischen Gerichtshofes zur Flüchtlingsverteilung und kommen bislang damit durch. Das Regelwerk der EU wird ausgehöhlt und missachtet. Sollte Italien, Gründungsstaat und Nettozahler diesem Beispiel ungestraft folgen, wäre es um die Union schlecht bestellt. Di Maio, der "5 Sterne"-Führer hat schon bei anderer Gelegenheit offen damit gedroht, dass Italien einfach nicht mehr in die EU-Kasse einzahlt, wenn es seinen Willen nicht bekommt. Das wäre dann das Ende der EU-Mitgliedschaft Italiens und das Ende der EU, wie wir sie kennen.

Eine finanzielle Rettung Italiens nach dem Modell Griechenland kommt für die Eurozonen-Staaten nicht in Frage. Erstens ist Italien dafür viel zu groß, zweitens wäre die Zahlungsunfähigkeit selbstverschuldet und drittens ist der Appetit Rechtsradikalen zu helfen bei den anderen großen Mitgliedsstaaten eher klein. Sollte der Budgetstreit nicht schnell beigelegt werden, steuert die EU auf eine Krise zu, neben welcher der Brexit eher als niedliche Petitesse erscheinen mag.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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