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Politik

Iván Duque, der Präsident der nicht reifen will

Jose Ospina-Valencia
José Ospina-Valencia
7. August 2019

Kolumbiens Präsident Iván Duque ist ein Jahr im Amt. Doch die Mehrheit der Kolumbianer ist längst enttäuscht. Er muss endlich anfangen das Land zu führen, anstatt die Demokratie zu gefährden, meint José Ospina.

Bild: picture-alliance/AA/Colombian Presidency Press Office

Wäre Iván Duque nicht Präsident Kolumbiens, könnte man meinen, dass ein "Schüler zur Ausbildung" im Regierungspalast säße, schrieb das politische Magazin "Semana". Dabei benötigen die 50 Millionen Kolumbianer dringend Arbeitsplätze, bezahlbare Wohnungen, bessere Bildungschancen und eine Zukunftsperspektive.

Iván Duque gelangte ins Präsidentenamt durch die tatkräftige Unterstützung seines Mentors, des kolumbianischen Ex-Präsidenten Álvaro Uribe. Und bis heute haben viele Kolumbianer den Eindruck, dass ein Halbwüchsiger im Palacio de Nariño, der Residenz des Präsidenten, sitzt. Als Präsident der viertgrößten lateinamerikanischen Volkswirtschaft konnte der 43-jährige Duque weder seine Kritiker noch die Anhänger seiner eigenen ultrakonservativen Partei überzeugen.

Aktuell sind zwei von drei Bürgern Kolumbiens der Meinung, dass das Land auf einem falschen Weg ist. Duque selbst hat einen Zustimmungswert von nur 37 Prozent, so das Meinungsforschungsinstitut Invamer.

Die Macht der Ultrakonservativen

Nach der Unterzeichnung des historischen Friedensabkommens mit den FARC-Rebellen hätte das Land eine klare und inspirierende Führung gebraucht. Eine Politik, die mit Optimismus und Energie Ideen für eine besseres Kolumbien entwickelt hätte. Stattdessen bekam das Land Iván Duque: Einen jungen Politiker mit veralteten Ideen, getragen von ultrakonservativen Kräften und gefährlichen Vorstellungen für die kolumbianische Demokratie.

Dieses ultrakonservative Umfeld politisiert und ideologisiert die kolumbianischen Streitkräfte, die bisher die Ergebnisse der demokratischen Wahlen im Lande respektiert und sich aus dem politischen Geschehen herausgehalten haben. Doch mittlerweile kursieren in den Kasernen Flugblätter, in denen alle Parteien, mit Ausnahme der Regierungspartei, als "linke Castro-Chavisten" diffamiert werden. Obwohl einige Mitglieder der Streitkräfte und der Polizei in der Zeit des bewaffneten Konflikts Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, gab es keine grundsätzliche Entfremdung zwischen der Bevölkerung und den Streitkräften. Doch jetzt wächst die gegenseitige Verachtung, gesät von den Radikalen auf beiden Seiten des politischen Spektrums.

DW-Redakteur José Ospina-ValenciaBild: DW

Die Verantwortung für diese Entwicklung trägt Iván Duque - durch eigenes Handeln und durch Unterlassung. Obwohl der Präsident und seine Regierung wissen, dass es allein dem gewonnenen Frieden zu verdanken ist, dass es neues Vertrauen in das Land gibt und der Tourismus deswegen einen beispiellosen Aufschwung erlebt, leistet er der Polarisierung Vorschub. Angetrieben durch die Hardliner in seiner Partei hat er Versuche toleriert, rechtskräftig verurteilte Parteigenossen aus den Gefängnissen zu holen. Außenpolitisch sucht er die Konfrontation mit Venezuela, anstatt eine Lösung am Verhandlungstisch zu unterstützen.

In Kolumbien greifen die Hassreden um sich. Die Gewalt wächst. Diese Tendenz belegt auch der jüngste Bericht des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA). Das ist nicht das geeignete Umfeld für eine Wirtschaft, die wachsen soll. Was auch nicht passiert. Während offizielle Zahlen von einer angeblichen Senkung der Arbeitslosigkeit auf zehn Prozent sprechen, widersprechen die Analysten: Die Enttäuschung vieler Kolumbianer sei so groß, dass sie die Suche nach einer Arbeitsstelle aufgeben und nur deswegen aus den offiziellen Statistiken verschwinden.

Hassreden greifen um sich

Duque ist auch deswegen Präsident geworden, weil in der Bevölkerung die Angstmacherei verfangen hat, die Opposition wolle aus Kolumbien ein zweites Venezuela machen. Doch inmitten des Geschreis gegen die Diktatur des Nachbarlandes, findet in Kolumbien ein langsamer und verdeckter Prozess statt: Perspektivisch könnte er zum Verlust des demokratischen Gleichgewichts führen - genau wie in Venezuela. Der Extremismus hat die politische Landschaft Kolumbiens erobert. Und die Gefahr geht von beiden Lagern aus. Die Gefahr besteht im Glauben, dass immer nur die Gegenseite die Wurzel allen Übels ist, nie aber das eigene Lager.

Die Regierung von Iván Duque hat es dank der demokratischen Institutionen im Land noch nicht geschafft, den Friedensprozess komplett zu zerstören. Und aufgrund der Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft Kolumbien weiterhin im Auge behält - ein Land, das wichtig ist für die Stabilität in der Region und dessen Bevölkerung eine bessere Zukunft verdient.

Iván Duque könnte trotz seines vergifteten Umfelds immer noch zu einer Stütze der Rechtsstaatlichkeit heranreifen. Das ganze Land und die internationale Gemeinschaft warten darauf. Aber leider erinnert Iván Duque immer noch zu sehr an Oskar Matzerath, dem Protagonisten aus Günter Grass' Buch "Die Blechtrommel": Er will einfach nicht erwachsen werden.

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