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Politik

Ja zum Frieden in Kolumbien - jetzt!

Thofern Uta 62 Latin Berlin 201503 18
Uta Thofern
26. September 2016

Die Unterzeichnung des Friedensabkommens für Kolumbien ist ein historischer Akt. Entscheidend für die Zukunft des Landes aber ist eine Zustimmung zu diesem Frieden beim Referendum in dieser Woche, meint Uta Thofern.

Bild: Getty Images/AFP/L. Robayo

Wenn an diesem Montag in Cartagena an der kolumbianischen Karibikküste das Friedensabkommen zwischen der Regierung und der FARC-Guerilla unterzeichnet wird, ist das ein erfolgreicher Abschluss langjähriger und mühseliger Verhandlungen. Mehr nicht. Solange die Bürger Kolumbiens sich nicht eindeutig und klar zu diesem Frieden bekennen, bleibt die historische Unterschrift ein Verwaltungsakt.

Diese  Zustimmung ist keineswegs so sicher, wie die Umfragen auf den ersten Blick glauben machen. Die Wahlbeteiligung wird ebenso eine Rolle spielen wie die Überzeugung vieler Kolumbianer, dass eine Ablehnung des Abkommens einfach nur weitere Verhandlungen mit besseren Ergebnissen nach sich ziehen werde. Darauf zielt die Kampagne der Gegner unter dem Motto, ein 'Nein' sei das wahre 'Ja' zum Frieden.

Ein im Land umstrittener Friedensschluss

Aus europäischer Perspektive ist ein Scheitern des Friedensabkommens bei der Volksabstimmung undenkbar, eine Ablehnung absolut nicht nachvollziehbar. Frieden nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg - allein das ist aus internationaler Sicht Grund genug für eine klare Zustimmung zu diesem in Kolumbien so umstrittenen Abkommen. Der bewaffnete Konflikt hat mehr als 200.000 Menschen das Leben gekostet, über fünf Millionen sind Vertriebene im eigenen Land; zahllose wurden verletzt, verstümmelt, vergewaltigt, ihrer Zukunftschancen beraubt. Das Friedensabkommen ist eine einmalige Chance diesem Grauen ein Ende zu bereiten - da kann doch niemand dagegen sein!

Uta Thofern

Das ist ganz überwiegende die Position der internationalen Beobachter, und diese nahezu einhellige internationale Zustimmung zu Präsident Santos´ Friedensabkommen verbittert die Gegner ganz besonders. Zudem gibt sie der 'No'-Kampagne Stoff für Verschwörungstheorien. Deshalb ist es wichtig, die Argumente der Gegner anzuschauen und ihre Ängste ernst zu nehmen. Sie gliedern sich grob in zwei Kategorien: die der Opfer und die der Unbeteiligten.

Die Unbeteiligten, das sind die Städter, überwiegend die Begüterten. Die meisten von ihnen haben in der Sicherheit ihrer behüteten Umgebung den Bürgerkrieg nur in den Nachrichten erlebt. Der Konflikt in Kolumbien spielt sich auf dem Lande ab, und die Opfer, die es in die Städte schafften, landeten in Slums, die ein Wohlhabender nie betritt. Diese Unbeteiligten fürchten, dass der Frieden den Kommunismus bringt und sie dadurch zu Opfern von Unfreiheit und Enteignung werden. Schließlich soll die bekanntlich revolutionär-kommunistische FARC die Chance zu einer ganz normalen politischen Mitwirkung bekommen. Die politische Nachfolgeorganisation der FARC wird aber keine Mehrheiten gewinnen. Allein die Tatsache, dass die Guerilla freiwillig aufgibt, ist der beste Beweis dafür, dass ihre Ideologie keine Siege erringt.

Historische Erfahrung lehrt Pflicht zum Kompromiss

Dass es international in diesem Punkt keine Bedenken gegen das Friedensabkommen gibt, ist übrigens auch durch historische Erfahrung bedingt, der deutschen zum Beispiel. Nach dem Mauerfall sind der sozialistischen Einheitspartei der DDR sogar Sonderregeln zugebilligt worden, damit sie in den Bundestag einziehen konnte. Ihre Nachfolgepartei hat auch heute noch viele Wähler, führt sogar eine Landesregierung an. Dem Kommunismus ist Deutschland trotzdem nicht anheim gefallen, und einen Politiker wie Manuel Santos würde man hierzulande bestenfalls für einen konservativen Sozialdemokraten halten.

Die Opfer vom Friedensabkommen zu überzeugen, ist schwieriger. Denn es ist wahr:  Sie werden keine Gerechtigkeit bekommen. Der Frieden, genauer gesagt, die Befriedung der Gesellschaft, hat mit Gerechtigkeit genauso wenig zu tun wie der Rechtsstaat mit Moral. Die kolumbianische Übergangsjustiz eröffnet vielen reuigen Tätern mildere Strafen und den ehemaligen Guerilleros eben auch politische Ämter. Das ist bitter. Doch auch hier zeigt die historische Erfahrung vieler Länder, dass eine neue, freie und friedliche Gesellschaft nicht ohne schmerzhafte Kompromisse zu bekommen ist. Ob in Chile, Südafrika oder Nordirland - nirgends sind alle Schuldigen bestraft worden. Eine schonungslose Aufarbeitung ist erst lange nach dem Neuanfang möglich, das haben auch wir Deutschen schon zweimal gelernt.

Aber der Neuanfang ist diesen Preis wert. Der Frieden erfordert Kompromisse, und es wird noch lange dauern und tägliches Arbeiten erfordern, bis die kolumbianische Gesellschaft wirklich geheilt ist. Aber ohne den Frieden ist alles nichts.

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Uta Thofern Leiterin Lateinamerika-Redaktionen, Schwerpunkt Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
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