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Gesellschaft

Ja zum Leben

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Verica Spasovska
21. März 2017

Werdende Eltern geraten unter Druck: Immer früher ist feststellbar, ob ein Kind behindert zur Welt kommen wird. Dabei geht es um eine Herausforderung, die man meistern kann, meint Verica Spasovska aus eigener Erfahrung.

Bild: Getty Images/AFP/R. Utrecht

Menschen, die mit dem Down-Syndrom leben, werden in der deutschen Öffentlichkeit inzwischen viel positiver wahrgenommen als Menschen mit anderen geistigen Behinderungen. Es gibt Schauspieler und Künstler unter ihnen, die sogar im Fernsehen auftreten. Viele von ihnen sind dank ihrer extrovertierten Art sehr gesellig, arbeiten in Altenheimen und Kindergärten. Wegen des hervorragenden Netzes an Fördermaßnahmen, das es in Deutschland gibt, kann ein großer Teil von ihnen ein nahezu selbstbestimmtes Leben führen.

Immer mehr Abbrüche

Und trotzdem entscheiden sich Schwangere immer häufiger für einen Abbruch, wenn sie erfahren, dass ihr Kind diesen Gendefekt in sich trägt. Vor allem, seitdem es den sogenannten Tripletest gibt - ein einfacher Bluttest, der schon vor der zwölften Schwangerschaftswoche Aufschluss geben kann, ob ein Kind mit dieser Behinderung im Mutterleib heranwächst.

Die Gründe für einen Abbruch sind vielfältig: Da ist erst einmal der Schock, kein gesundes Kind auf die Welt zu bringen. Die Wunschvorstellung einer heilen Familie bricht plötzlich zusammen. Da ist die Angst, mit einem behinderten Kind überfordert zu sein. Welche Belastungen kommen auf die werdenden Eltern zu? Wie groß sind die geistigen und körperlichen Einschränkungen des behinderten Kindes? Was passiert mit der Familie, der Ehe, wenn das behinderte Kind einen hohen Betreuungsaufwand erfordert?

Ist das heute noch nötig?

Hinzu kommt der soziale Druck auf Eltern, die gar keinen Test gemacht haben oder sich trotz des Testergebnisses für das Kind entscheiden. "Ist das heutzutage wirklich noch nötig?", werden sie vielfach von Bekannten und Nachbarn gefragt. Der Rechtfertigungsdruck ist entsprechend hoch. Was für eine Anmaßung! Familien, die sich entscheiden, ein behindertes Kind groß zu ziehen, verdienen Respekt und Wertschätzung.

Verica Spasovska leitet die Nachrichtenredaktion Online

Ich breche nicht den Stab über Menschen, die sich gegen ein Kind mit Down-Syndrom entscheiden. Diese Entscheidung können nur die werdenden Eltern selbst treffen. Ich verstehe die Angst davor, ein behindertes Kind groß zu ziehen. Und das ist in der Tat nicht leicht - darüber können auch Medienberichte nicht hinwegtäuschen, die Familien mit behinderten Kindern als besonders erfüllt und glücklich zeichnen. Die davon erzählen, wie erstaunlich groß doch die Fortschritte sind, wie viel das behinderte Kind "zurück gibt". Das sind Überhöhungen, die der Realität nicht gerecht werden. Denn jede Familie, die ein Kind mit Behinderung hat, steht vor einer besonderen Herausforderung: die Eltern, die die Betreuung des behinderten Kindes bewältigen müssen und in der Sorge leben, was aus ihrem Kind wird, wenn sie einmal alt sind und sterben, ebenso wie die Geschwisterkinder, die häufig im Schatten stehen.

Ein weniger erfülltes Leben?

Ist das Leben mit einem Kind mit Down-Syndrom oder einer anderen geistigen Behinderung deshalb weniger erfüllt als mit Kindern, die keine geistige Behinderung haben? Die Frage ist falsch gestellt. Es ist anders. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Eltern behinderter Kinder bis an ihr Lebensende die Verantwortung für dieses Kind tragen, während Kinder ohne Behinderung ihr Leben selbst in die Hand nehmen können. Aber da endet auch schon der Unterschied.

Denn sich für ein Leben mit Kindern zu entscheiden, ist immer ein Abenteuer. Oder machen sich Eltern von Kindern ohne Behinderung etwa nie Sorgen um ihren Nachwuchs? Läuft bei ihnen immer alles glatt? Erfüllen diese Kinder grundsätzlich die Erwartungen ihrer Erzeuger? Was ist, wenn ein gesundes Kind krank wird oder einen Unfall hat und dadurch zum Pflegefall wird?

Nur noch perfekte Menschen?

Der medizinische Fortschritt, der uns immer mehr Möglichkeiten an die Hand gibt, eine Auslese zu treffen, damit unsere Kinder immer perfekter auf die Welt kommen, beantwortet die Kernfrage nicht: Wollen wir nur noch den perfekten Menschen? Alles ausblenden, was nicht unseren Vorstellungen und Erwartungen entspricht? Diese Frage können weder die Medizin noch die Politik beantworten. Das können nur wir selbst.

Ich jedenfalls bin dankbar, in einem Land zu leben, in dem Menschen mit Behinderung nicht weniger wert sind als andere - so wie es vor achtzig Jahren die Nationalsozialisten in ihrem Rassenwahn sahen und Tausende ermordeten. Ich bin dankbar, dass Familien in Deutschland, die geistig behinderte Kinder groß ziehen, viel staatliche und karitative Unterstützung erhalten und in der Mitte der Gesellschaft leben. Schwangere, die vor der Entscheidung stehen, ein Kind mit Down-Syndrom oder einer anderen Behinderung zu bekommen, sollten wissen, dass sie mit dieser Herausforderung nicht allein gelassen werden.

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