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Kommentar: Janukowitsch in der Defensive

Bernd Johann26. Januar 2014

Der Präsident der Ukraine hat versucht, die Protestbewegung zu spalten. Dabei gerät er selbst immer mehr unter Druck. Nur mit Neuwahlen kann die Staatskrise gelöst werden, meint Bernd Johann.

Bernd Johann (Foto: DW)
Bernd JohannBild: DW/P. Henriksen

Angebote, die vergiftet sind, kann man nicht annehmen. Die Oppositionsführer in der Ukraine sind nicht auf eine neue Finte des ukrainischen Präsidenten hereingefallen. Sie handelten klug, als sie die Einladung zu einer Regierungsbeteiligung ablehnten. Sie können keine führenden Regierungsämter unter einem korrupten Staatschef übernehmen, der sich nur noch an die Macht klammert und offenbar darauf hofft, dass er Opposition und Protestbewegung spalten kann.

Noch immer kein Einlenken des Staatschefs

Präsident Viktor Janukowitsch ist noch immer nicht bereit, auf die zentrale Forderung nach Neuwahlen einzugehen. Auch in anderen Punkten lenkte er nicht ein: Undemokratische Gesetze, die die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit und die Arbeit von gesellschaftlichen Initiativen bedrohen, könnten vielleicht überarbeitet werden. Aber von einer Rücknahme dieser undiskutablen Gesetze, die das Land in Richtung Diktatur führen, ist nicht die Rede. Verhaftete Demonstranten will er nur freilassen, wenn sich die Protestbewegung aus dem Zentrum von Kiew vollständig zurückzieht.

Das sind keine seriösen Angebote, auf die sich Opposition und Protestbewegung einlassen können. Zumal noch immer Spezialkräfte des Innenministeriums bereitstehen, um die Protestbewegung blutig niederzuschlagen. Noch während Janukowitsch den Oppositionspolitikern seine Scheinangebote unterbreitete, verschärfte Innenminister Vitali Sacharschenko den Ton gegenüber den Demonstranten dramatisch: Sie seien "Extremisten", die jederzeit mit Gewaltanwendung rechnen müssten, erklärte der Minister, dem die Sondereinheiten unterstellt sind.

Jetzt auch Gegenwind aus der Wirtschaft

Dabei gerät die Führung der Ukraine inzwischen selbst immer stärker unter Druck. Der Massenprotest von Kiew weitet sich auf das gesamte Land aus. In den großen Städten im Westen und im Zentrum des Landes halten Regierungskritiker Gouverneurs- und Bürgermeisterämter besetzt. Auch in anderen Städten kommt es zu Aufständen. Selbst im Osten des Landes, wo der Präsident bislang Rückhalt hatte, werden die Proteste stärker. Es wird eng für Janukowitsch.

Druck bekommt der Präsident inzwischen offenbar auch aus einer ganz anderen Richtung. Die politisch einflussreichen Industriebosse, die man in der Ukraine Oligarchen nennt, werden unruhig. Sie sorgen sich um die Folgen der politischen Krise für die ukrainische Wirtschaft. Denn der Machtkampf lähmt immer mehr das ganze Land, das wirtschaftlich ohnehin am Boden liegt. Rinat Achmetow, der mächtigste Unternehmer der Ukraine und bislang als enger Unterstützer von Janukowitsch bekannt, warnt sogar vor einer weiteren Eskalation. Die Wirtschaft könne nicht ruhig bleiben, wenn Menschen getötet würden, schrieb er in einem offenen Brief, den die ukrainischen Medien verbreiten.

Neuwahlen sind der einzige Ausweg

Der Mann hat Recht. Die Gewalt in Kiew muss aufhören. Die Ukraine darf nicht ins Chaos oder gar in einen Bürgerkrieg stürzen. Und Neuwahlen sind der einzige Weg, das zu verhindern. Das muss die Opposition Janukowitsch klar machen. Dessen scheinheilige Angebote für eine Regierungsumbildung lösen die Krise nicht. Vorgezogene Parlaments- und Präsidentschaftswahlen müssen stattfinden.

Und zugleich muss jetzt dringend dafür gesorgt werden, dass die Sondereinheiten der Polizei den Rückzug antreten. Der Präsident trägt die Verantwortung für die Gewalt der letzten Tage. Er darf nicht zulassen, dass die Lage weiter eskaliert. Es darf nicht auf Demonstranten geschossen werden. Denn das wäre ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Bernd Johann ist Leiter der Ukrainischen Redaktion der Deutschen Welle.

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